Klimaschutz:Grüne gegen Grüne

Klimaschutz: "Die Wälder brennen, Europa ist mitschuldig": Greenpeace-Protest in Brüssel.

"Die Wälder brennen, Europa ist mitschuldig": Greenpeace-Protest in Brüssel.

(Foto: KENZO TRIBOUILLARD/AFP)

Warum die Partei bei einem zentralen Klimagesetz der EU in Brüssel und Berlin unterschiedliche Positionen vertritt.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Aktivisten von Greenpeace nahmen das Europagebäude am Donnerstag in Beschlag, zumindest die Fassade. Während die Minister redeten, würden riesige Flächen Wald zerstört, stand auf ihrem Banner. Zu denen, die drinnen redeten, zählte der deutsche Staatssekretär Sven Giegold von den Grünen. Er war als Gründungsmitglied der globalisierungskritischen Organisation Attac selbst einmal Aktivist - und zeigte sich nach dem Treffen des Umwelt-Rates der Europäischen Union überzeugt: Dies war ein guter Tag im Kampf gegen das Waldsterben, sofern man es als Folge des Klimawandels begreift.

Europa mache nun endlich ernst mit dem Klimaschutz, sagte Giegold, der Klimaschutzminister Robert Habeck vertrat. Sollte das wirklich so sein, wäre nicht zuletzt auch Wladimir Putin dafür verantwortlich.

"Zusammenschweißende Wirkung" habe der Krieg in der Ukraine, sagte Giegold nach dem Treffen von Vertreterinnen und Vertretern der für Umwelt zuständigen Ministerien in den 27 Mitgliedsländern. Um möglichst schnell unabhängig von Erdgas, Kohle und Öl aus Russland zu werden, wolle man das Gesetzespaket Fit for 55 schnell voranbringen. Dieses Paket, von der Kommission im Juli 2021 vorgestellt, enthält mehrere Richtlinien und Verordnungen, die helfen sollen, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 55 Prozent zu verringern. Das wichtigste Projekt steckt jedoch in der berüchtigten Brüsseler Gesetzgebungsmaschine zwischen Kommission, Rat und Parlament fest. Und das liegt auch an Giegolds Partei, den Grünen. Man ist sich uneins zwischen Brüssel und Berlin.

Es geht um die Verschärfung des europäischen CO₂-Emissionshandels (ETS). Viele Industriebetriebe und Energieversorger müssen seit 2005 Verschmutzungsrechte vorweisen, wenn sie Klimagase in die Atmosphäre blasen. Die Kommission schlägt vor, die Zahl der Zertifikate schneller als bisher geplant zu verringern, um die Unternehmen zu zwingen, schneller auf CO₂-ärmere Technologien umzusteigen. Für Heizen und Verkehr will sie im Jahr 2026 ein eigenes System einführen. Das träfe auch Privathaushalte. Und damit wird es heikel, gerade in Zeiten, in denen die Energiepreise ohnehin durch die Decke gehen.

Die französischen Grünen schrecken vor dem Modell zurück

Bedenken gibt es im Rat der 27 Mitgliedsländer, allen voran in Polen und Ungarn, aber auch in Frankreich. Dort hat sich Präsident Emmanuel Macron mit einem ähnlichen Modell die Gelbwesten-Bewegung eingehandelt. Bedenken gibt es aber auch im Europaparlament. Dort schrecken die französischen Grünen, mitten im nationalen Wahlkampf, davor zurück, und das mag auch ein Grund sein, warum der deutsche Grüne Michael Bloss, der im Parlament das Gesetz für die Fraktion Grüne/EFA verhandelt, eine Einigung bislang blockiert.

Bloss setzt, statt auf den Marktmechanismus des Emissionshandels, auf schärfere Regeln: So sollten keine Gasheizungen mehr verbaut werden und ab 2030 keine Verbrenner-Autos mehr zugelassen werden. Die "erdrückenden" Energiepreise würden gerade die Menschen in ärmeren Mitgliedsländern am härtesten treffen, nochmalige Steigerungen seien unzumutbar. Die Kommission schlägt vor, die Einnahmen aus dem ETS-Handel für einen Sozialfonds zu verwenden, aus dem die Bedürftigsten entschädigt werden. Aber wie der genau organisiert werden soll, und ob er überhaupt funktionieren kann - darüber gibt es Dissens im Parlament. Eine Einigung müsste es in den nächsten Wochen geben.

Ähnlich ablehnend wie die Grünen sind im Europaparlament auch die Sozialdemokraten, obwohl die Ampelkoalition in Berlin - mit Grünen und Sozialdemokraten - eindeutig hinter dem neuen ETS steht. Sven Giegold, bis zur Bundestagswahl selbst Europaparlamentarier, liegt bei dem Thema überkreuz mit seinem ehemaligen Fraktionskollegen Michael Bloss. Die Aufgabe, eine Einigung im Europaparlament herzustellen, obliegt dem CDU-Abgeordneten Peter Liese, der das Gesetz dort federführend betreut. So kompliziert, so verwirrend ist EU-Politik.

Peter Liese, wie Giegold starker Befürworter des neuen ETS, schlägt um des Friedens willen vor, Mitgliedsländern die Möglichkeit eines Opt-out zu geben: Privathaushalte könnten damit zwei Jahre lang vom Emissionshandel für Wohnen und Verkehr ausgenommen werden. Giegold hält von dieser Lösung nichts, weil zu bürokratisch. Niemand, sagt er, der das neue ETS ablehnt, habe bislang eine Lösung vorgeschlagen, wie die Klimaziele der EU anders zu erreichen sind.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusKlimapolitik
:Mit den Konsequenzen leben

Stoppen kann die Menschheit die Erderhitzung nicht mehr, nur noch bremsen - und lernen, mit den Folgen umzugehen. Eine Reise an acht Schauplätze dieser Welt, wo Menschen sich und ihre Umgebung an ein verändertes Klima anpassen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: