Europäische Union:Alles, bloß kein Hauptquartier

Die EU tut sich schwer eine gemeinsame Verteidigungspolitik zu entwerfen. Doch in Zeiten einer nato-skeptischen USA sehen sich viele gedrängt, neue Sicherheitskonzepte zu entwerfen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Der Wahlsieg von Donald Trump in den USA steckte den Europäern noch frisch in den Knochen, da gaben die Staats- und Regierungschefs ein Bekenntnis ab: "Die Europäer müssen mehr Verantwortung für ihre Sicherheit übernehmen", verkündeten sie beim EU-Gipfel Mitte Dezember. Sie erteilten eine ganze Reihe von Arbeitsaufträgen, welche die EU schlagkräftiger machen sollen. Schon beim nächsten Gipfel am 9. März wollten sie Ergebnisse vorweisen können - doch das erweist sich als zumindest schwierig. Hinter den Brüsseler Kulissen tobt ein Kampf darum, wie stark die militärische Rolle der EU tatsächlich sein darf. Bisher waren die Briten die eifrigsten Bremser. Seit der Brexit-Entscheidung aber übernehmen andere diesen Part.

Ein Konflikt dreht sich dabei um die Schaffung effizienterer Führungsstrukturen. Nach dem Brexit-Votum hatten Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und ihr französischer Kollege Jean-Yves Le Drian einen Plan vorgelegt, der die Gründung einer permanenten Planungs- und Führungseinheit vorsah, was längerfristig auf so etwas wie ein EU-Hauptquartier hinausliefe. Für die EU-Militäroperationen sind derzeit fünf verschiedene Hauptquartiere zuständig. Für die Ausbildungsmissionen gibt es überhaupt keine zentrale Führung.

Zumindest das soll sich nun ändern. Eine in Brüssel angesiedelte Zelle mit 35 Mitarbeitern soll künftig diese Art von Missionen führen. Bei einem Treffen der Außen- und Verteidigungsminister am 6. März soll dieser bescheidene Beschluss fallen. Aus Sicht der Bundesregierung aber müsste zumindest klargestellt werden, dass diese "Militärischische Planung- und Führungseinheit" die Keimzelle für ein ambitionierteres Vorhaben ist, wobei auch die Deutschen den Begriff "Hauptquartier" penibel vermeiden. Nichts soll an Shape, das militärische Hauptquartier der Nato im belgischen Mons, erinnern. Etliche EU-Staaten fürchten auch nur den Eindruck, die Union könne traditionelle Nato-Aufgaben übernehmen wollen. In Zeiten von Trump, der die Nato vor seinem Amtsantritt als "obsolet" bezeichnet hat, sind gerade die Osteuropäer - insbesondere die Litauer - noch sensibler geworden. Der härteste Widerstand aber kommt von weiter westlich: aus den Niederlanden.

Sie reagieren darauf, dass Trump sich über Europas Militäretats beschwert

In mehreren Arbeitssitzungen haben niederländische Diplomaten klargemacht, dass sie den Plänen nur auf kleinster Flamme zustimmen werden. So wird die neue Planungsaufgabe erst einmal von Mitarbeitern des zum Auswärtigen Dienst der EU gehörenden Militärstabs mitübernommen. Ambitioniertere Zukunftspläne wollen die Niederländer verhindern. Gegenwind gibt es aber auch für ein anderes Vorhaben. Im Vertrag von Lissabon ist die Möglichkeit vorgesehen, dass einzelne Mitgliedstaaten sich in bestimmten Bereichen auf eine engere militärische Kooperation verständigen. Verwirklicht worden ist das nie; auch in diesem Fall waren vor allem die Briten dagegen. Nun aber soll diese "ständige strukturierte Zusammenarbeit" Wirklichkeit werden - bereits unter Ausschluss der Briten. Im 27er-Kreis könnten dann verschiedene Projekte vorangetrieben werden, etwa die Einrichtung eines Sanitätskommandos. Ob der Beschluss Anfang März gefasst werden kann, ist allerdings nicht klar. Frankreich plädiert dafür, sich mehr Zeit für das komplizierte Thema zu lassen. Nach einem starken Signal für eine militärisch zumindest in Teilbereichen bedeutsamere EU klingt das derzeit nicht.

Wenn sich die Nato-Verteidigungsminister an diesem Mittwoch erstmals mit ihrem neuen US-Kollegen James Mattis treffen, wird es ohnehin erst einmal darum gehen, sich der Allianz mit den Amerikanern zu versichern. Das ist zunächst einmal eine Frage des Geldes. Trump hat sich wiederholt darüber beschwert, dass die Europäer zu wenig für Verteidigung ausgeben. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündete am Dienstag, dass die Verteidigungsausgaben der Europäer und Kanadas 2016 um 3,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen seien. Das seien immerhin zehn Milliarden Euro, was dem Militärbudget Norwegens entspreche. Das sei ein "Schritt in die richtige Richtung, aber noch nicht genug". Was Trumps sonstige Wünsche angeht, so wolle man hören, was die USA zusätzlich erwarteten, "um die Nato als Werkzeug im Kampf gegen den Terrorismus einzusetzen".

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