Süddeutsche Zeitung

Europäisch-russische Beziehungen:Moskau weist polnische Diplomaten aus

  • Diplomaten aus Polen müssen Russland verlassen
  • Außenministerium begründet die Ausweisung mit für den Diplomatenstatus "unvereinbaren Aktivitäten"

"Unfreundlicher und unbegründeter Schritt"

Russland hat mehrere polnische Diplomaten ausgewiesen. Grund hierfür seien "Aktivitäten", die mit dem Diplomatenstatus "unvereinbar" seien, teilte das russische Außenministerium in Moskau mit. Damit sind in der Regel Spionageaktivitäten gemeint. Die Maßnahme sei zugleich eine Reaktion auf eine vorherige Ausweisung russischer Diplomaten aus Polen, hieß es weiter. "Die polnischen Behörden haben einen unfreundlichen und absolut unbegründeten Schritt gemacht, die russische Seite hat angemessene Maßnahmen getroffen", teilte das Außenministerium mit. Die polnischen Diplomaten hätten Russland bereits verlassen. Die polnische Onlineplattform Gazeta.pl berichtet, dass vier bis fünf Diplomaten Moskau mittlerweise verlassen haben sollen. Wie die nachrichtenagentur dpa meldet, soll es sich Medienberichten zufolge um vier Militärattachés und einen Mitarbeiter der politischen Abteilung in der polnischen Botschaft in Moskau handeln.

Russland bezieht sich auf die Retorsions-Praxis unter Diplomaten

In den vergangenen Tagen hatte Russland bereits eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft ausgewiesen. Laut dem Nachrichtenmagazin Spiegel reagierte Moskau mit der Ausweisung auf den Fall eines russischen Diplomaten, der als Mitarbeiter des Bonner Generalkonsulats in Deutschland spioniert haben soll, vom Verfassungsschutz monatelang observiert worden sei und letztlich ohne großes Aufsehen aus Deutschland ausgewiesen worden sei. (siehe Infokasten "Retorsion")

Aktuelles Lexikon: Retorsion

Auge um Auge, Zahn um Zahn, so wird auf archaische Weise versucht, einen Schadensausgleich zu bewirken und die Gerechtigkeit wiederherzustellen. Eine moderne, weniger martialische Form dieses Prinzips ist gerade in einer Auseinandersetzung zwischen Deutschland und Russland zu erleben: Weil die Bundesrepublik den Mitarbeiter eines russischen Generalkonsulats ausgewiesen hatte, musste nun eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Moskau Russland verlassen. Die Russen dürften das völkerrechtlich als Retorsion einordnen, also als einen unfreundlichen aber rechtmäßigen Akt, mit dem auf einen anderen unfreundlichen Akt reagiert werden soll, egal ob dieser nun rechtmäßig war oder nicht. Die Retorsion - der Begriff leitet sich vom lateinischen retorquere (zurückdrehen) her - ist eine eher milde Waffe im Arsenal der Diplomaten. Durch sie will ein Staat einen anderen Staat dazu bringen, die Regeln der Courtoisie oder des Völkerrechts einzuhalten. Beispiele für eine Retorsion sind die Verweigerung von Wirtschaftshilfe, Einfuhrsperren, die Ausweisung von Diplomaten oder der Abbruch diplomatischer Beziehungen. Dabei sollte die Retorsion verhältnismäßig sein. Außer im Völkerrecht wird der Begriff auch im deutschen Strafrecht gebraucht: Wird eine Beleidigung sofort mit einer Gegenbeleidigung beantwortet, kann der Richter auf Straffreiheit entscheiden. Stefan Ulrich

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