Europa:Was Berlin und Paris miteinander vorhaben

  • Deutschland und Frankreich wollen die EU reformieren und einen modernisierten Elysée-Vertrag vereinbaren.
  • Die Parlamente fordern in einer gemeinsamen Entschließung für 2018 "Bürgerbefragungen" zur Zukunft Europas. Geplant sind zudem einheitliche Regeln beim Unternehmens- und Konkursrecht und in der Steuerpolitik.
  • Kanzleramtsminister Altmaier und Frankreichs Wirtschaftsminister Le Maire haben bereits vorgearbeitet.

Von Leo Klimm, Paris, und Stefan Kornelius

Ungeachtet der schwebenden Regierungsbildung in Berlin diskutieren Deutschland und Frankreich über Reformen der Europäischen Union und bereiten vor allem symbolische Gesten der Freundschaft vor. Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel trafen sich am Freitagabend in Paris zu einem Arbeitsessen, während die Parlamente beider Länder am Montag eine gemeinsame Entschließung verabschieden werden, in der eine Neuverhandlung des vor 55 Jahren geschlossenen Freundschaftsabkommens gefordert wird.

Dieser modernisierte Élysée-Vertrag sollte nach Vorstellung Macrons längst vorliegen und zum Jahrestag unterzeichnet sein, quasi als Begleitdokument für eine ambitionierte EU-Reform. Weil Berlin wegen der noch ausstehenden Regierungsbildung aber handlungsunfähig ist, wurde das Projekt verschoben. Einige Bundestagsabgeordnete von Union, SPD, FDP und Grünen ergriffen die Initiative und sorgten nun für gemeinsame Sondersitzungen in Berlin und Paris am kommenden Montag. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wird in der Nationalversammlung sprechen, sein Pendant François de Rugy tritt im Bundestag auf.

In der gemeinsamen Entschließung fordern die Parlamente ihre Regierungen ganz im Sinne Macrons auf, einen neuen Élysée-Vertrag zu erarbeiten. Das Papier behandelt fast das komplette Spektrum der Politik und fordert unter anderem eine Harmonisierung sozialer Rechte in Europa, einheitliche Regeln beim Unternehmens- und Konkursrecht, die Angleichung der Körperschaftssteuer und eine verzahnte Verteidigungs- und Außenpolitik. Ein deutsch-französisches Abkommen soll die Arbeit der nationalen Parlamente massiv verschränken.

Besondere Relevanz erhält ein Absatz, in dem für 2018 "Bürgerbefragungen" zur Zukunft Europas gefordert werden. Die Regierungen sollten diese Pläne unterstützen, wird gemahnt. Macron hatte in seiner stark beachteten Europa-Rede im September die Organisation einer proeuropäischen Bürgerbewegung in Aussicht gestellt - ein Vorhaben, das in Deutschland skeptisch betrachtet wurde, weil es mit der Arbeit der Parteien kollidieren könnte. Macron indes will seine Bewegung "La République en Marche" auch für die Wahl zum Europaparlament mobilisieren, wo sie bisher nicht vertreten ist.

Noch Anfang Januar hoffte man im Pariser Präsidentenpalast, dass Macron - wie es einmal mit dem Kanzleramt besprochen worden war - zu einer Feierstunde in den Bundestag kommen könnte. Doch jetzt ist die Koalition aus Union und SPD immer noch so ungewiss, dass er sich mit viel weniger begnügen muss: Es gibt nur ein bisschen Symbolik, delegiert an die Parlamente beider Länder.

"Wir sind enge Freunde"

Mit dem Praktisch-Konkreten, dem mühsamen Teil, haben Merkel und Macron am Freitag bei ihrem Arbeitsessen im Élysée-Palast begonnen. Im Anschluss kündigten die beiden eine eigene, gemeinsame Erklärung an, zusätzlich zum Beschluss der Parlamente. Merkel sagte, Macrons Sorbonne-Rede sei "ein großer Entwurf für das, was in Europa nötig ist". Macron wiederum appellierte kaum verhohlen an die SPD, sich an diesem Sonntag für eine Koalition mit der Union zu entscheiden. "Das Ergebnis der Sondierungsgespräche lässt einen echten Ehrgeiz für das europäische Projekt erkennen", sagte er.

Am Donnerstag hatten Merkels Vertrauter Peter Altmaier (CDU), der gerade die Geschäfte im Finanzministerium führt, und Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire in Paris vorgearbeitet. Die beiden Schlüsselminister könnten, sollte Altmaier den Finanzposten in einer Koalition mit der SPD behalten dürfen, eine Art deutsch-französisches Traumduo abgeben: Altmaier spricht verhandlungssicher Französisch. Le Maire wiederum mag kein "Macron-Boy" sein, wie die Vertrauensleute des Präsidenten in Paris heißen, aber spricht als ausgewiesener Kenner Deutschlands und seiner Kultur exzellent Deutsch. "Wir sind enge Freunde", sagte Le Maire, Altmaier nickte dazu.

Dessen Botschaft ist, dass es mit den eher technischen Reformarbeiten in Europa selbst ohne Regierung in Berlin vorangehen kann: Spätestens im Juni, behaupteten die zwei Minister, werden sich Deutschland und Frankreich nach jahrelangem Hickhack auf eine Harmonisierung der Unternehmenssteuern und auf gemeinsame Vorschläge zur Vorbeugung einer neuen Bankenkrise einigen.

Le Maire pochte auch darauf, dass Macrons Forderung nach einem eigenen Budget für die Euro-Zone, die in Deutschland kaum Anhänger hat, auf dem Tisch bleibt. Merkel bekräftigte am Freitagabend nach dem Treffen mit Macron das Ziel, bis März einen deutsch-französischen Vorschlag zur Reform der Euro-Zone vorzulegen. Das Sondierungspapier von Union und SPD sei in dem Punkt absichtlich so offen gehalten, dass es "freie Gespräche mit Frankreich" erlaube.

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