Europa verspricht Klimahilfen:Umweltschützer fordern mehr Anstrengung von EU

Mindestens 7,2 Milliarden Euro will die EU den Entwicklungsländern für den Klimaschutz zahlen - doch Umweltorganisationen geht die Vereinbarung nicht weit genug.

Die Europäische Union hat den Entwicklungsländern eine Soforthilfe von 7,2 Milliarden Euro für den Klimaschutz in den kommenden drei Jahren in Aussicht gestellt. Darauf einigten sich nach Angaben von Diplomaten die EU-Staats- und Regierungschefs am Freitag bei ihrem Gipfeltreffen in Brüssel.

Europa verspricht Klimahilfen: WWF-Aktivisten in Kopenhagen fordern weitgehende Maßnahmen für den Klimaschutz.

WWF-Aktivisten in Kopenhagen fordern weitgehende Maßnahmen für den Klimaschutz.

(Foto: Foto: Reuters)

Deutschland steuert insgesamt 1,26 Milliarden Euro zu dieser Summe bei, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag in Brüssel sagte. Pro Jahr sind das 420 Millionen Euro. Zuvor hatten Frankreich und Großbritannien zusammen mehr als 2,5 Milliarden Euro zugesagt. Mit dem Geld sollen die Entwicklungsländer die Folgen des Klimawandels abmildern. Umweltorganisationen kritisierten die Vereinbarung als nicht weitreichend genug.

Großbritannien stockt auf

Nach Angaben der schwedischen Ratspräsidentschaft tragen alle EU-Länder zu den milliardenschweren Finanzhilfen bei. Merkel sagte, die EU sende ein "deutliches Signal nach Kopenhagen".

Sein Land werde insgesamt gut 1,2 Milliarden Euro an Soforthilfen beisteuern, sagte Präsident Nicolas Sarkozy. Großbritannien kündigte umgerechnet 1,3 Milliarden Euro bis Ende 2012 an.

London stockte die Summe nach Gesprächen mit Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf. Ursprünglich hatte Großbritannien einen Beitrag von 884 Millionen Euro in Aussicht gestellt.

Die Hilfe für die ärmsten Länder, mit denen diese sich gegen die schon jetzt unabwendbaren Folgen des Klimawandels schützen sollen, ist auch Teil des Ringens in Kopenhagen. Ab 2020 werden dafür dann sogar rund 100 Milliarden Euro jedes Jahr für nötig erachtet.

Die EU kündigte bei dem Gipfel auch an, zu Reduktionen ihrer CO2-Emissionen um 30 Prozent bis zum Jahr 2020 bereit zu sein. Das kündigte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy an. Allerdings sei das Ziel noch an Bedingungen geknüpft, sagte Sarkozy.

"Ein starker Impuls"

Das ursprüngliche Reduktionsziel liegt bei 20 Prozent gegenüber den Werten von 1990. Laut Bundeskanzlerin Angela Merkel stellt die EU für das ehrgeizigere Ziel nach wie vor die Bedingung, dass sich auch die USA und China auf dem Weltklimagipfel in Kopenhagen zu größeren Schritten verpflichten.

Ziel soll es sein, die Welterwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Für die entscheidende Phase der Verhandlungen haben sich am nächsten Wochenende unter anderem US-Präsident Barack Obama und Kanzlerin Angela Merkel angemeldet.

Die Vereinten Nationen reagierten erfreut auf die EU-Zusage für schnelle Klima-Finanzhilfe an Entwicklungsländer. Der Chef des UN-Klimasekretariats, Yvo de Boer, sagte auf dem Kopenhagener Klimagipfel: "Das ist eine riesige Ermutigung für den weiteren Prozess hier." Es sei "absolut notwendig und positiv, dass die EU nun klare Zahlen vor den entscheidenden Verhandlungen hier" auf den Tisch gelegt habe, es sei ein "starker Impuls". Nun könnten andere folgen.

Im Video: Vor seiner Abreise zum Weltklimagipfel in Kopenhagen hat Bundesumweltminister Norbert Röttgen konkrete Beschlüsse zum Klimaschutz eingefordert. Weitere Videos finden Sie hier

Kritik von den Umweltorganisationen

Nach Ansicht der Umweltorganisation WWF reichen die versprochenen Milliarden jedoch nicht aus. Nötig seien vielmehr öffentliche Gelder in Höhe von jährlich sieben bis zehn Milliarden Euro bis 2020.

Europa verspricht Klimahilfen: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Premier Gordon Brown beim Brüsseler EU-Gipfel

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Großbritanniens Premier Gordon Brown beim Brüsseler EU-Gipfel

(Foto: Foto: dpa)

"Nichts tun ist teuer"

Deutschland müsse dabei seinen fairen Anteil an der internationalen Finanzierung für Klimaschutz und Anpassung in den Entwicklungsländern tragen.

Auch bei der Reduzierung der Treibhausgasemissionen nahm der WWF die Bundesregierung in die Pflicht. Deutschland habe als Industrienation nicht nur eine historische Verpflichtung, seine Treibhausgasemissionen drastisch zu senken. "Selbst wenn wir rein ökonomisch denken, bleibt uns keine andere Wahl als zu handeln. Nichts tun ist teurer", sagte Regine Günther, WWF-Leiterin Klimaschutz.

Auch der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) forderte von den europäischen Staats- und Regierungschef mehr Anstrengungen für den Klimaschutz. Es gebe ausreichend Spielraum, den Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase bis 2020 um bis zu 40 Prozent zu verringern. Es reiche nicht aus, wenn die EU-Mitgliedsstaaten als Trostpflaster Schecks für ohnehin zugesagte Hilfen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit verteilten, bemängelte der Nabu-Vorsitzende Olaf Tschimpke.

Gleichzeitig warnte der Nabu vor "unverantwortlichen Tricksereien" bei den Klimaverhandlungen in Kopenhagen. So drohten Schlupflöcher bei der Anrechnung von Emissionen aus der Landnutzung, beim Walderhalt in Entwicklungsländern und bei dem Umgang mit überschüssigen Zertifikaten aus dem Kyoto-Protokoll.

Am Rande des Kopenhagener Gipfels demonstreirten am Freitag etwa 200 Menschen. Es waren die ersten Straßenproteste seit Beginn der zweiwöchigen UN-Klimakonferenz am Montag. Die Teilnehmer der Kundgebung teilten sich in kleinere Gruppen auf. Sie riefen unter anderem: "Denkt an eure Arbeit. Das ist unser Klima." Berichte über Ausschreitungen lagen nicht vor.

Für Samstag planen Klimaaktivisten und Umweltschützer aus aller Welt einen Marsch auf den Kopenhagener Gipfel. Die Veranstalter rechnen mit mehreren zehntausend Teilnehmern.

Bürger erwarten wenig

Den Erfolgsmeldungen zum Trotz verspricht sich die große Mehrheit der Bürger laut einer Umfrage von der UN-Klimakonferenz wenig bis nichts. Nur 19 Prozent der Befragten erwarten, dass dort sehr viel oder viel für den Schutz des Klimas erreicht wird, wie die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer vom Freitag ermittelte. 66 Prozent meinen, es werde dort wenig, und 10 Prozent, es werde nichts erreicht werden.

Für 78 Prozent der Bundesbürger ist der Klimawandel aber ein sehr großes oder großes Problem. 17 Prozent halten ihn für ein weniger großes und 4 Prozent für überhaupt kein Problem. 51 Prozent meinen, dass in Deutschland zu wenig zum Schutz des Klimas getan wird, 39 Prozent halten es für gerade richtig, und 7 Prozent meinen, es werde dafür zu viel getan.

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