Europa und das Iran-Abkommen:Vereint im Zorn auf Trump

Europa und das Iran-Abkommen: Demonstranten in Iran verbrennen eine US-Flagge als Reaktion auf Donald Trumps Entscheidung, das Atomabkommen aufzulösen.

Demonstranten in Iran verbrennen eine US-Flagge als Reaktion auf Donald Trumps Entscheidung, das Atomabkommen aufzulösen.

(Foto: AFP)
  • In der EU wächst die Sorge, dass Trumps Iran-Entscheidung auch die eigenen Handelsbeziehungen zu Iran negativ beeinflussen könnte.
  • Betroffen wären vor allem europäische Unternehmen wie Total, Peugeot, Siemens oder Airbus, die sowohl in den USA als auch in Iran Handel betreiben.
  • Gleichzeitig befürchten viele Politiker, dass der Iran-Konflikt einen Keil zwischen die USA und die EU treiben könnte.

Von Daniel Brössler, Brüssel, und Stefan Kornelius

Drei Tage nach der Iran-Entscheidung der USA macht sich in der EU und vor allem in Deutschland Ernüchterung über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen mit Teheran breit. Gleichzeitig wächst die Sorge vor einem Bruch mit den USA. Die Aufkündigung des Atomabkommens mit Iran durch Donald Trump "verletzt das Vertrauen in die internationale Ordnung", sagte Kanzlerin Angela Merkel am Freitag beim Katholikentag in Münster. Nachdem sich zunächst eine Welle der Empörung über den Sanktionsbeschluss aufgebaut hatte, zeichnet sich nun Hilflosigkeit ab. "Wir sind tatsächlich ein bisschen erpressbar", sagte ein mit den internen Beratungen vertrauter Beamter, "und es wird nicht besser, wenn man sich an die Brust trommelt".

Der stille Zorn richtet sich gegen die US-Regierung, die das alte Sanktionsregime gegen Iran wieder in Gang setzen wird und dabei alle Unternehmen in die Pflicht nimmt, die sowohl mit den USA als auch mit Iran Geschäfte machen. Diese sogenannten sekundären Sanktionen würden Firmen wie Total, Peugeot, Siemens oder Airbus treffen, die global agieren und im amerikanischen Markt ein größeres Geschäft machen als mit Iran.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier fordert indirekt zum Rückzug auf

Die Beratung über den Umgang mit den neuen Sanktionen und die Überlebenschancen des Nuklearabkommens beginnt am Dienstag in Brüssel, wenn sich die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens sowie die EU-Außenbeauftragte treffen. Zu ihnen wird der iranische Außenminister Mohammed Zarif stoßen. Einen Tag später wird die Iran-Krise, die nicht minder stark auch eine transatlantische Krise ist, die Staats- und Regierungschefs der EU bei einem Treffen in Sofia beschäftigen.

Donald Trump und die britische Premierministerin Theresa May haben am Freitag Gespräche über die Folgen der geplanten Wiederaufnahme der Iran-Sanktionen vereinbart. In einem Telefonat mit Trump habe May die Auswirkungen der Strafmaßnahmen auf jene Firmen angesprochen, die im Iran Geschäfte machten, teilte ihre Sprecherin am Freitag mit

Ein Indiz für die deutsche Zurückhaltung bei dem Thema lieferte Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der indirekt zu einem Rückzug aus dem Iran-Geschäft riet: "Wir haben juristisch keine Möglichkeit, deutsche Unternehmen gegen Entscheidungen der amerikanischen Regierung zu schützen", sagte Altmaier im Deutschlandfunk. Andere Töne schlug sein französischer Kollege Bruno Le Maire an, der meinte, man könne sich nicht weiter unterwerfen und werde Vorschläge zur Abwehr von Strafen vorlegen. Gleichzeitig hatte Frankreich um Ausnahmen für die eigene Industrie, vor allem für die Firmen Total und Renault, gebeten. Es ist unwahrscheinlich, dass die USA dies zugestehen.

Ob diese deutsch-französischen Differenzen zu neuer Spaltung führen, wird sich in den Beratungen kommende Woche zeigen. Dabei steht vor allem eine Frage im Mittelpunkt: Welches Land ist bereit, den Bruch mit den USA zu vertiefen? Die Bundesregierung ist um Schadensbegrenzung bemüht. Es nutze nichts, die eigenen Kräfte zu überschätzen, sagte Kanzlerin Merkel. Allerdings scheint sie da nüchterner zu denken als andere in der EU.

Nutzen könnten diese Differenzen die Regierungen in Moskau und Peking. Chinesische Unternehmen hatten bereits angekündigt, dass sie die Lücke in Iran füllen würden. Das gilt vor allem für das Ölgeschäft und den Flugzeugbau. Größere Sorge bereitet in Berlin und Brüssel die Tatsache, dass man von Trump politisch an die Seite Chinas und Russlands gedrängt werde und Iran trotz der vielen Probleme zugestehen müsse, dass zumindest beim Nuklearvertrag alles korrekt verlief.

Einen Vorgeschmack auf das neue Spaltungsspiel lieferte der russische Außenminister Sergej Lawrow. Als er am Donnerstag seinen deutschen Kollegen Heiko Maas empfing, wollte Lawrow am liebsten eine ganz neue Allianz vorgaukeln: Der Rest der Welt gegen Amerika. Doch die Freundschaft geht noch lange nicht so weit. Die Europäer sind sich selbst die nächsten. Lawrows Begehr, mit ins Boot geholt zu werden, stieß bei Außenminister Maas auf taube Ohren. Zu durchsichtig ist die Absicht Moskaus.

So bleibt die Frage, ob die EU ein Minimalziel erreichen kann: Die Sicherung der Ölexporte Irans und damit die wichtigste Einnahmequelle des Landes - im Gegenzug für den Erhalt des Nuklearabkommens. Die USA haben klargemacht, dass sie beim Öl keine Ausnahme machen werden. Russland sieht dort sein Geschäft.

Wie der Konflikt wohl endet, formulierte Angela Merkel wie üblich verklausuliert auf dem Katholikentag: "Inwieweit wir überhaupt dieses Abkommen am Leben erhalten können, wenn eine riesige Wirtschaftsmacht auch nicht mitmacht dabei, das muss jetzt auch mit Iran besprochen werden."

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