Paris:Gespräche über Friedenstruppe für Ukraine

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Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nimmt an den Gesprächen in Paris teil, hier wird sie von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßt. (Foto: LUDOVIC MARIN/AFP)

Nach dem europäischen Sondergipfel nennt Kanzler Scholz die Debatte „irritierend und völlig verfrüht“. London bietet an, Soldaten in die Ukraine zu entsenden. Außenminister der USA und Russlands treffen sich in Riad.

Von Matthias Kolb

Bei dem von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron angestoßenen Pariser Krisengipfel zum Krieg gegen die Ukraine haben die Europäer unterschiedliche Haltungen eingenommen zur Frage einer Friedenstruppe, die einen eventuellen Waffenstillstand absichern könnte. Hauptthema des Treffens am Montag, zu dem Macron erst am Wochenende eingeladen hatte, war die Frage, wie die Europäer sich nach dem Kurswechsel des US-Präsidenten Donald Trump in der Ukraine-Politik verhalten sollten.

Washington zielt nun darauf ab, den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij und Russlands Machthaber Wladimir Putin zu Friedensverhandlungen zu drängen. Die Absicherung eines möglichen Friedensabkommens sollen nach Trumps Auffassung die europäischen Staaten übernehmen. Macron telefonierte noch kurz vor Beginn des Pariser Treffens mit US-Präsident Trump.

Frankreichs Außenminister Jean-Noël Barrot berichtete am Abend von sehr konkreten Gesprächen „auf verschiedenen Ebenen“, bei denen es um die Entsendung von Truppen in die Ukraine insbesondere aus Frankreich, Großbritannien und Polen gehe – den „drei großen Armeen“ Europas. Die Friedenstruppe solle einen künftigen Waffenstillstand und einen „dauerhaften Frieden“ in der Ukraine gewährleisten, sagte Barrot dem Sender LCI. EU-

Bundeskanzler Olaf Scholz nahm dabei offenbar eine zurückhaltende Position ein. Er sagt nach dem Treffen, er finde die Diskussionen über eine europäische Friedenstruppe „irritierend und völlig verfrüht“. Es werde über die Köpfe der Ukrainer hinweg über mögliche Ergebnisse von Friedensgesprächen gesprochen, die noch gar nicht stattgefunden hätten. Es sei eine „unpassende Debatte zur falschen Zeit und über das falsche Thema“.

Im Gegensatz dazu hatte bereits vor dem Treffen der britische Premier Keir Starmer die „Bereitschaft und den Willen“ signalisiert, britische Soldaten zur Absicherung eines möglichen Friedens in die Ukraine zu schicken. In einem Gastbeitrag für die Zeitung Daily Telegraph schrieb er, Großbritannien könne eine „führende Rolle“ dabei übernehmen, die Arbeit an Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu beschleunigen.

Polens Premier Donald Tusk wiederum lehnte am Montag eine Teilnahme polnischer Soldaten an einer möglichen Friedenstruppe ab, Schwedens Regierung hingegen schloss dies nicht aus.

An den Beratungen nahmen außer den Staats- und Regierungschefs aus Frankreich, Italien, Deutschland, Polen, Spanien, den Niederlanden und Dänemark, auch Nato-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Ratspräsident António Costa und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen teil. Von der Leyen und Costa erklärten nach dem Treffen auf X, die Europäer seien sich einig, dass die Ukraine einen Frieden verdiene, der die Unabhängigkeit und territoriale Integrität des Landes respektiere und starke Sicherheitsgarantien biete.

Bei dem Treffen ging es auch um eine Art Fragebogen, den die US-Regierung Anfang Februar in die europäischen Hauptstädte geschickt hatte. Washington will wissen, was die Europäer zur Sicherung eines Friedensabkommens beitragen können. Sie sollen auflisten, welche Waffensysteme und welche Truppen sie zur Verfügung stellen und welche Sicherheitsgarantien sie abgeben können.

Auch die Finanzierung der Hilfe für die Ukraine war ein Thema. Bundeskanzler Scholz sprach sich nach dem Treffen dafür aus, diese Unterstützung gesondert zu finanzieren, auf europäischer wie deutscher Ebene, sonst sei sie nicht möglich. Dazu sei eine Lockerung der Ausgabenregelungen nötig. Er habe auf europäischer Ebene vorgeschlagen, den Mitgliedstaaten deshalb größere Spielräume einzuräumen. Nach Ansicht des polnischen Ministerpräsidenten Tusk sollten Verteidigungsausgaben nicht in die EU-Defizitberechnungen einfließen. Er sprach in Paris von Milliarden Euro in der EU, die für die Verteidigung mobilisiert werden könnten. Alle anderen Teilnehmer des Treffens hätten ähnliche Ansichten gezeigt, sagt Tusk.

Unterdessen wurden Details zum russisch-amerikanischen Treffen in Saudi-Arabien bekannt. Das Präsidialamt in Moskau teilte mit, dass Außenminister Sergej Lawrow und Juri Uschakow, der außenpolitische Berater Putins, am Montag nach Riad in Saudi-Arabien fliegen sollten. Am Dienstag sollen sie US-Außenminister Marco Rubio, Sicherheitsberater Mike Waltz sowie den Trump-Vertrauten Steve Witkoff treffen. Laut Kremlsprecher Dmitrij Peskow sollen mögliche Friedensgespräche bezüglich Ukraine und die Wiederherstellung der Beziehungen zwischen Russland und den USA beraten werden. Die Frage, ob Putin und Trump sich noch im Februar in Saudi-Arabien treffen würden, beantwortete Peskow nicht.

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Der ukrainische Präsident Selenskij bestätigte am Montag bei einem Staatsbesuch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, dass sein Land nicht an den Gesprächen in Riad teilnehme. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge kündigte Selenskij etwas an, was er bereits in München auf der Sicherheitskonferenz gesagt hatte: „Die Ukraine betrachtet alle Verhandlungen über die Ukraine ohne die Ukraine als ergebnislos, und wir können keine Vereinbarungen über uns ohne uns anerkennen.“

Russland signalisierte am Montag auch, dass es wenig Interesse an einer europäischen Beteiligung an den Gesprächen habe. „Ich weiß nicht, was Europa am Verhandlungstisch tun würde“, sagt Außenminister Lawrow laut Reuters vor Medienvertretern in Moskau. Europa habe mehrmals die Chance gehabt, sich an einer Einigung in Sachen Ukraine zu beteiligen. Kremlsprecher Peskow stellte es der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge als positiv dar, dass nun über eine Beendigung des Konflikts und nicht mehr über seine Fortsetzung gesprochen werde.

Vor dem Sondergipfel in Paris äußerten einige EU-Mitglieder Kritik an der Auswahl der Teilnehmer. Das Format sende „eine falsche Botschaft“, klagte die slowenische Präsidentin Nataša Pirc Musar, weil der Eindruck entstehe, dass die europäische Einigkeit brösele. Péter Szijjártó, Außenminister Ungarns, des moskaufreundlichsten EU-Lands, nannte laut Bloomberg die Teilnehmer des Treffens im Palais de l’Élysée „frustrierte Trump-Gegner und Kriegsunterstützer“, die eine Vereinbarung über einen Frieden in der Ukraine verhindern wollten. Bereits am Sonntag sagte Luxemburgs Premier Luc Frieden, er hätte ein Sondertreffen mit den Staats- und Regierungschefs aller 27 EU-Mitgliedsländer vorgezogen.

Mit Material von dpa und Reuters

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