Europa/Syrien/Bolivien:Premier allein zu Haus

Politiker in Quarantäne, ausgesetzte Wahlen und Überlastung des Internets in einigen Vororten: das Coronavirus und seine politischen Folgen.

Von Christoph Gurk, Clara Lipkowski und Thomas Urban, Buenos Aires/Madrid/München

***BESTPIX*** Ifema's Military Field Hospital Receives The First Patients

Platz für Patienten gibt es künftig auch in der Messehalle von Madrid. In Spanien sind 28 768 Menschen mit Corona infiziert, 1772 starben.

(Foto: Comunidad de Madrid/Getty)

Das Coronavirus breitet sich weiter aus, auch Großbritannien hat weitreichende Ausgangsbeschränkungen erlassen, und Südafrika hat eine Ausgangssperre verhängt. Mehrere Regierungschefs sind bereits freiwillig in Quarantäne. In Island etwa hat sich die Ministerpräsidentin Katrín Jakobsdóttir nach einem positiven Befund in der Schule ihres Sohnes in Isolation begeben. Auch der Ministerpräsident Lettlands, Krisjanis Karins, ist zu Hause in Quarantäne. Außerdem sind acht von 13 Mitgliedern seines Kabinetts isoliert, ein Großteil seiner Regierung.

Das Bürgerkriegsland Syrien hat indes den ersten Fall gemeldet. Noch am Sonntag hatte die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärt, dass es in dem Land keine Infizierten gebe. Am Abend dann meldete der syrische Gesundheitsminister Nisar al-Jasidschi im Staatsfernsehen, dass eine 20 Jahre alte Person, die aus dem Ausland in die von der Regierung kontrollierten Gebiete eingereist war, erkrankt sei. Es galt bereits zu diesem Zeitpunkt als unwahrscheinlich, dass niemand infiziert ist, weil so gut wie nicht getestet worden war. Mit der offiziellen Bestätigung wächst die Sorge vor einem unkontrollierten Ausbruch, besonders im Rebellengebiet Idlib, wo etwa drei Millionen Geflüchtete auf engstem Raum leben. Um die Ausbreitung zu verhindern, soll nun der private und öffentliche Straßenverkehr eingestellt werden.

In Bolivien wird die für den 3. Mai geplante Präsidentschaftswahl auf zunächst unbestimmte Zeit verschoben. Das Oberste Wahlgericht reagierte damit auf die auch in Bolivien steigende Zahl Infizierten. Derzeit gibt es 27 registrierte Fälle. Trotz eines wirtschaftlichen Aufstiegs in den vergangenen Jahren gehört Bolivien immer noch zu den ärmsten Ländern des Kontinents und das Gesundheitssystem, fürchten Experten, ist kaum auf einen Ausbruch vorbereitet. Am Sonntag verhängte die Übergangsregierung darum eine Ausgangssperre für das ganze Land. Diese ist seit November vergangenen Jahres im Amt. Massenproteste hatten damals den langjährigen indigenen Staatschef Evo Morales nach Manipulationsvorwürfen aus dem Amt und ins Exil gedrängt. Eine rechts-religiöse Übergangsregierung übernahm daraufhin die Führung des Landes. Sie ließ politische Gegner verhaften und revidierte die Politik ihres sozialistischen Vorgängers. Neuwahlen setzte sie erst für Mai 2020 an, was zu Kritik führte. Nun wird die Übergangsregierung wegen der Corona-Krise noch weitere Monate im Amt bleiben. Um einen neuen Wahltermin festzulegen, soll ein "breiter und pluralistischer Dialog mit allen politischen Organisationen" geführt werden, erklärte das Oberste Wahlgericht.

Experten fürchten, dass ausgiebiges Surfen auf Kosten der Krankenhäuser und Ämter geht

Innerhalb eines Tages ist die Zahl positiv getesteter Menschen in der Schweiz um 1046 auf 8060 gestiegen, 66 Menschen sind bisher an der Krankheit gestorben, sechs mehr als zuletzt, das meldet das Gesundheitsamt der Schweiz. In der Schweiz sind Versammlungen von mehr als fünf Personen nun verboten, ebenso in Liechtenstein, wo 46 Menschen erkrankt sind.

In einigen Vierteln der spanischen Hauptstadt Madrid ist es bereits spürbar: Das Internet ist deutlich langsamer geworden. Einige Webseiten, etwa Programmführer durch die Fernsehkanäle, sind in den frühen Abendstunden nicht zu erreichen, weil sie zu oft angeklickt werden. Experten warnen vor der Überlastung des Internets, da sich die Belastungen verschoben haben: So wird die erstklassige Infrastruktur im Bankenviertel im Norden der Stadt derzeit kaum genutzt, dafür ist in den Vorstädten, die weniger gut ausgestattet sind, die Nutzerzahl explodiert. Nicht nur, weil viele Madrilenen zuhause arbeiten. Manche Schulen versuchen, Schüler über das Internet weiter zu unterrichten, Universitätsseminare finden online statt.

Vor allem aber werden Filme in großer Zahl heruntergeladen, Museen bieten digitale Besuche an, Theater und das Opernhaus zeigen Aufzeichnungen früherer Aufführungen. Experten fürchten wegen der Ausgangssperre, dass Wartungsarbeiten am physischen Kabelnetz zu kurz kommen. Vor allem aber warnen einige, dass übermäßiges Surfen, Streamen oder Computerspielen zum Zeitvertreib auf Kosten der Krankenhäuser und Gesundheitsämter gehen könnte, die auf ein einwandfrei funktionierendes Netz angewiesen sind. Stattdessen, so die Empfehlung, solle man lieber ein Buch lesen.

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