In diesem Fall hat Europa gut funktioniert: Die EU handelte mit Kanada ein Abkommen aus. Demnach sollen die Daten von Fluggästen ausgetauscht werden, um grenzüberschreitende Terrorattacken und andere Schwerverbrechen zu verhindern. Das Europaparlament hatte jedoch Zweifel, ob der Gebrauch der Daten nicht zu weit gehe. Es bat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um ein verbindliches Gutachten. Das haben die Richter jetzt vorgelegt. Anhand der Grundrechte-Charta der EU arbeiteten sie heraus, unter welchen Bedingungen es zulässig ist, Daten von Flugreisenden weiterzugeben, auszuwerten und aufzubewahren.
Heraus kam eine Entscheidung, die grundsätzliche Bedeutung hat. Sie zeigt einen Weg, wie die Sicherheit der Bürger und der Schutz ihrer Daten in Einklang gebracht werden können. Im Ergebnis erfordert das einen Kompromiss zwischen beiden Prinzipien. Er ist dem EuGH gelungen. Die Richter führen dabei ihre Linie fort, den Datenschutz und die Privatsphäre der Bürger gegenüber einer Sicherheitspolitik zu stärken, die unter dem Eindruck der Terroranschläge in vielen Ländern dazu neigt, zu viel des Guten zu tun. Und zu viel des Guten ist schlecht.
Der EuGH hält den Datenschutz auch in Terrorzeiten hoch
Der EuGH erkennt an, dass es grundsätzlich zulässig ist, wenn Staaten zur Verbrechensbekämpfung Daten sämtlicher Fluggäste austauschen, auswerten und für die Dauer der Reise aufbewahren, zum Beispiel Namen, Wohnorte und Zahlungsmodalitäten. Doch dann folgt ein großes Aber: Die Staaten dürfen dabei nur das unbedingt Notwendige tun, und sie müssen klare und präzise Regeln aufstellen. Dies gilt besonders für sensible Daten, die leicht zu Missbrauch und Diskriminierung führen können, wie Abstammung, politische Ansichten oder Sexualleben.
Zu Recht verbietet es der EuGH, Daten nach Ende einer Reise jahrelang zu speichern, obwohl gegen die betroffenen Fluggäste kein Verbrechensverdacht besteht. Unbescholtene Bürger dürfen nicht als vielleicht irgendwann einmal Verdächtige behandelt werden. Denn dies würde einem Generalverdacht gleichkommen, den ein freiheitlicher Rechtsstaat nie erheben darf. Gibt es dagegen konkrete Anhaltspunkte, dass von einem bestimmten Passagier eine Terrorgefahr ausgehen könnte, dürfen seine Daten aufbewahrt werden.
Das Gutachten wird Folgen haben: Die EU und Kanada müssen den Vertrag überarbeiten. Bereits geltende Daten-Abkommen Europas mit den USA und Australien könnten bald überprüft werden. Gleiches gilt für eine Richtlinie, wonach alle Flugbuchungen in der EU fünf Jahre lang gespeichert werden müssen.
Nun mag man fragen, ob der EuGH den Datenschutz angesichts global agierender Terroristen nicht zu wichtig nimmt. Das verkennt jedoch die Gefahr, dass eine immer raffiniertere Überwachungstechnik langfristig zum gläsernen Bürger und in einen totalitären Staat orwellscher Prägung führt. Völlige Sicherheit lässt sich in einer freien Gesellschaft nicht erreichen - sondern allenfalls in einem Gefängnis.