Europa-Politik der CSU:Zerrissene Christsoziale

Peter Gauweilers zweiter Eilantrag in Karlsruhe sticht nicht, beschäftigt das Verfassungsgericht aber mehr, als die dürre Pressemitteilung vermuten lässt. Seine Parteifreunde streiten derweil über ihren Europa-Kurs. Vor allem die Landesgruppe in Berlin zeigt sich genervt von dem Tonfall, der in München vorherrscht - und stellt ein neues Grundsatzpapier zur Europa-Politik vor.

Wolfgang Janisch, Robert Roßmann und Mike Szymanski

Seinen Antrag auf Verschiebung des Urteilstermins hat das Bundesverfassungsgericht abgewiesen - doch der neuerliche Vorstoß des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler beschäftigt die Richter des Zweiten Senats stärker, als ihre knappe Presseerklärung zu erkennen gibt. Zwar wird das Gericht, wie geplant, an diesem Mittwoch sein Urteil über die Eilanträge gegen den dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM sowie den europäischen Fiskalpakt verkünden. Aber noch am Dienstagnachmittag berieten die Richter intern über den Antrag. Möglicherweise wird Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle sich bei der Urteilsverkündung dazu äußern.

Bundesratspraesident Seehofer besucht Israel

Horst Seehofer besucht Israel, doch er lässt es sich nicht nehmen auch die Probleme in der Heimat zu kommentieren.

(Foto: dapd)

Gauweilers Prozessvertreter Dietrich Murswiek hatte den Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB) von vergangener Woche über einen unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen zum Anlass genommen, auf eine Aussetzung des ESM-Verfahrens zu dringen, weil darin eine "undemokratische Selbstermächtigung" der EZB zu sehen sei. Denn der Versuch, die Verantwortung des Bundestags für den Haushalt im Rahmen der Rettungsbemühungen sicherzustellen, laufe ins Leere, wenn die EZB ganz ohne parlamentarische Rückkopplung Geld für Krisenstaaten bereitstellen dürfe, für das letztlich auch Deutschland hafte.

Ob Karlsruhe sich schon an diesem Mittwoch inhaltlich zum EZB-Programm positionieren wird, ist ungewiss. Denkbar ist auch, dass dieses Problem dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleibt. Zwar wird nicht erwartet, dass das erst in einigen Monaten zu erwartende Urteil in der Hauptsache im Ergebnis von der nun zu verkündenden Eilentscheidung abweicht; dennoch könnte der Zweite Senat dann in der Begründung einige neue Punkte aufgreifen - wie das von Gauweiler angesprochene EZB-Problem, das die Richter offenkundig umtreibt.

Bei der CSU-Landesgruppen-Sitzung am Montagabend in Berlin fehlte Gauweiler, der Münchner Abgeordnete schwänzt die Treffen häufiger. Diesmal verärgerte die Absenz seine Kollegen besonders - nicht nur wegen des Eilantrags Gauweilers in Karlsruhe. Auf der Landesgruppensitzung wurde auch zum ersten Mal über ein Grundsatzpapier zur Europapolitik debattiert (das Dokument finden Sie hier).

Den sechsseitigen Entwurf hatte Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in der Sommerpause zusammen mit dem Europa-Sprecher Thomas Silberhorn geschrieben. In der Landesgruppe sind viele Abgeordnete vom Tonfall genervt, mit dem sich etwa CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt oder Bayerns Finanzminister Markus Söder äußern. Dobrindt hatte das Vorgehen der EZB "brandgefährlich" genannt und deren Präsidenten Mario Draghi als "Falschmünzer" beschimpft. Söder sagte, der EZB-Beschluss zum unbegrenzten Staatsanleihen-Kauf stelle einen unvertretbaren Paradigmenwechsel und einen Dammbruch dar.

Seehofer verlangt feste Regeln

In der Landesgruppensitzung sagte Hasselfeldt, ihr bereite die Entscheidung der EZB zwar auch Unbehagen, sie sei aber vom Mandat der Zentralbank gedeckt. Auch das Grundsatzpapier Hasselfeldts hat eine ganz andere Tonalität als die Einlassungen Dobrindts und Söders - das zeigt schon der Titel: "Zukunft Europa: handlungsfähig in der Krise, schlank im Innern, stark nach außen." Hasselfeldt und Silberhorn führen darin anders als ihre Münchner Kollegen keine brachiale Abwehrschlacht gegen die europa-kritische Konkurrenz von den Freien Wählern.

Statt sich auf die Beschreibung von Problemen zu beschränken, bemühen sie sich auch um eine mögliche Weiterentwicklung der EU. Hasselfeldt sagte der Süddeutschen Zeitung, es müsse "mittelfristig etwa die Rolle der Kommission reformiert und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik gestärkt werden - wir wollen gestalten, nicht bremsen". Das Europapapier sei "Grundlage für die notwendige Diskussion über die Zukunft Europas".

Nicht nur die Europa-Politiker der CSU hoffen jetzt, dass die Berliner Landesgruppe zumindest ein Stück weit ein Gegengewicht zu Söder und Dobrindt werden könnte. Der stellvertretende Fraktionschef der Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, sagte der SZ, es sei "gut, dass die Landesgruppe deutlich macht, dass die CSU konstruktiv an Europa arbeitet und mitgestalten will". Weber ist auch CSU-Präsidiumsmitglied.

In der CSU neigen allerdings nicht nur Dobrindt und Söder zur Zuspitzung, sondern auch der Parteichef. Horst Seehofer machte dabei auch auf seiner Israel-Reise keine Ausnahme. In Jerusalem sagte der CSU-Chef, er sehe wegen der Entscheidung der EZB zum unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen einen schweren Konflikt mit den Beschlüssen der CSU zur Euro-Rettung. 2011 hatte der CSU-Parteitag Ankäufen von Staatsanleihen nur in begrenztem Umfang zugestimmt.

Seehofer sagte in Israel: "So wie es jetzt nackt dasteht, hätten wir keine Deckung mit unseren Beschlüssen." Das bedeute, dass seine Partei nicht ohne Weiteres Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Euro-Rettung folgen könne. Es müsse zunächst "einiges sichergestellt werden". Seehofer verlangte dazu feste Regeln, die das Haftungsvolumen begrenzten und die Budgethoheit des Bundestages garantierten. Er sei sich jedoch sicher, dass die Bundesregierung den Bedenken der CSU Rechnung tragen werde.

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