"Leopard"-Panzer aus anderen Ländern:Europäisches Mikado

"Leopard"-Panzer aus anderen Ländern: Außenministerin Annalena Baerbock im Gespräch mit dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto beim Treffens der EU-Außenminister am Montag.

Außenministerin Annalena Baerbock im Gespräch mit dem finnischen Außenminister Pekka Haavisto beim Treffens der EU-Außenminister am Montag.

(Foto: Virginia Mayo/dpa)

In Europa haben viele gewartet, bis Deutschland Panzer zusagt. Nun kündigen weitere Länder Lieferungen an. Deren Umfang ist noch offen.

Von Hubert Wetzel

Am Montag war Annalena Baerbock in Brüssel. Der offizielle Anlass war ein reguläres Treffen der Außenministerinnen und Außenminister der Europäischen Union. Unter anderem stand ein Beschluss über neue Sanktionen gegen das iranische Regime auf der Tagesordnung.

Der inoffizielle Anlass von Baerbocks Besuch war dagegen eine Art diplomatisches Mikado-Spiel. Zwar wurde bei dieser Variante nicht mit federleichten Holzstäbchen hantiert, sondern mit tonnenschweren Kampfpanzern. Aber die Regeln waren ähnlich: Wer zur falschen Zeit die falsche Bewegung macht, hat verloren.

Die deutsche Außenministerin kam ein wenig genervt nach Brüssel. Seit Tagen schon hagelte Kritik auf die Bundesregierung ein, weil diese - so zumindest der Vorwurf - weder selbst moderne Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 an die verzweifelte Ukraine liefern wolle noch anderen europäischen Staaten erlaube, Kiew Leos zu überlassen. Stattdessen verstecke sich Berlin hinter Amerika.

Baerbock wollte daher im Kreis ihrer EU-Kolleginnen und -Kollegen in aller Deutlichkeit eine Botschaft loswerden, die sie am Abend zuvor schon in einem Fernsehinterview in Frankreich platziert hatte: Die Bundesregierung werde keinem Land, das eigene Leopard-2-Panzer an die Ukraine abgeben wolle, "im Weg stehen" und die notwendige Genehmigung verweigern, stellte Baerbock klar. Allerdings müssten jene Länder, die Deutschlands Zögern bei der Erteilung dieser Exporterlaubnis stets so besonders scharf kritisierten, halt auch mal einen Antrag in Berlin stellen.

Diese Mahnung war vor allem an die Regierung in Warschau gerichtet, deren Armee Leopard-Panzer besitzt und die Deutschland im Streit um die Panzerlieferungen in den Tagen davor regelrecht vor sich hergetrieben hatte. Und Baerbocks Einlassungen nahmen tatsächlich für einige Stunden den Druck von Deutschland. Plötzlich fand sich kein Land mehr, dass im Alleingang Leopard 2 an die Ukraine liefern wollte. Andere Staaten, etwa Finnland, die laut über so einen Schritt nachgedacht hatten, wenn die Deutschen doch nur zustimmen würden, wurden leiser. Man könne die Lieferung von Ersatzteilen erwägen, hieß es nun. Was für die Bundesregierung mit Blick auf die USA galt, galt ganz offensichtlich auch für andere Europäer mit Blick auf Deutschland: Nur wenn ein größeres, stärkeres Land mitmacht beim Liefern schwerer westlicher Kampfpanzer, war man bereit, auch selbst dabei zu sein.

Die Klarstellung vom Montag brachte wiederum Polen in Zugzwang. Warschaus Drohung, man werde notfalls ohne Zustimmung aus Berlin polnische Leopard 2 an die Ukraine abgeben, klang hohl, wenn um diese Zustimmung noch nicht einmal nachgefragt worden war. Gleichzeitig war der Bundesregierung klar, dass es politisch so gut wie unmöglich war, eine solche Anfrage abzulehnen. Ebenso wenig konnte Berlin einem EU- und Nato-Partner den Export von Leopard-Panzern in die Ukraine erlauben, dann selbst aber nicht liefern. Als am Dienstag der polnische Antrag in Berlin eintraf, war also mehr oder weniger klar, dass auch Deutschland Leopard-2-Panzer in die Ukraine schicken musste.

"Leopard"-Panzer aus anderen Ländern: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hätte sich schon früher ein größeres deutsches Engagement gewünscht, aber das sagt er höchstens in einem Halbsatz. Am Dienstag traf er Boris Pistorius in Berlin.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hätte sich schon früher ein größeres deutsches Engagement gewünscht, aber das sagt er höchstens in einem Halbsatz. Am Dienstag traf er Boris Pistorius in Berlin.

(Foto: Christian Spicker/Imago)

Das wurde auch bei der Pressekonferenz deutlich, die der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Dienstagmorgen in Berlin gaben. Pistorius ließ dabei alle Länder, die Leopard-Panzer haben, vorsorglich wissen, sie könnten schon einmal mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten beginnen. Stoltenberg hingegen, den die Bockigkeit der deutschen Regierung bei den Waffenlieferungen durchaus stört, tat, was er schon vor einigen Jahren sehr erfolgreich getan hatte, um den damaligen, ebenfalls bockigen US-Präsidenten Donald Trump bei Laune und in der Allianz zu halten: Er lobte und schmeichelte, hob den enormen Beitrag Deutschlands zur Verteidigung der Ukraine hervor und merkte nur in einem Halbsatz an, dass trotzdem noch mehr schwere Waffen gebraucht würden.

Am Mittwoch räumte dann - um im Bild zu bleiben - Kanzler Olaf Scholz die restlichen Mikado-Stäbchen ab. Deutschland liefert selbst 14 Leopard-2-Panzer, damit gibt es für andere Staaten keinen formellen Grund mehr, nicht auch Leos abzugeben. Denkbar ist nun eine Koalition von europäischen Lieferländern - eine Lösung, die ganz im Sinne sowohl der Nato als auch der EU ist.

Auch die Niederlande und Spanien signalisieren Bereitschaft

Bisher haben neben Polen und Deutschland eine Handvoll anderer europäischer Staaten offiziell oder inoffiziell ihre Bereitschaft signalisiert, der Ukraine Leopard-2-Panzer zu geben: die Niederlande, Norwegen, Finnland, Spanien, Portugal. Wenn diese Länder jeweils einen Teil ihrer Bestände an Kiew liefern, ließen sich auch die Stückzahlen erreichen, die die Ukraine braucht, damit die Panzer eine nennenswerte militärische Wirkung haben können.

Unter europäischen Diplomaten, die mit dem Panzerstreit befasst waren, herrschte am Mittwoch zum einen Erleichterung, dass Deutschland die Leopard-Panzer nun endlich liefert, zum anderen aber auch Frustration über das Gezerre der vergangenen Tage. Nato-Generalsekretär Stoltenberg, der Meister des taktischen Lobes, lobte Kanzler Scholz in einem Tweet, der vielleicht auch eine Spur Ironie enthielt, ausdrücklich für seine "Führungsstärke". So vornehm äußerten sich nicht alle Beobachter. Es sei dumm und unverständlich gewesen, dass die Bundesregierung Ländern wie Polen nicht schon sehr viel früher und von sich aus erlaubt habe, die Panzer an die Ukraine zu spenden, lautete der bittere Kommentar eines Diplomaten. Die deutsche Sturheit habe viele ukrainische Zivilisten das Leben gekostet.

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