Atomabkommen mit Iran:"Die EU ist entschlossen, den Atomvertrag zu erhalten"

  • Die EU-Außenbeauftragte Mogherini appelliert an die Vernunft Irans, das Atomabkommen nicht aufzukündigen.
  • Besonders besorgt zeigt sich die Außenbeauftragte über die von Trump angekündigten neuen Sanktionen.
  • Man sehe sich "weiterhin verpflichtet, uns für den Erhalt des Abkommens einzusetzen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von Kanzlerin Merkel, Frankreichs Präsident Macron und der britischen Premierministerin May.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Federica Mogherini verliert keine Zeit. Nur Minuten, nachdem US-Präsident Donald Trump in Washington seine Ansprache beendet hat, tritt die EU-Außenbeauftragte in Rom vor die Kameras. Sie wird Bedauern äußern, auch Besorgnis. Doch es geht um viel mehr. Mogherinis kurze Ansprache markiert eine Zäsur. Als sie fertig ist, darf das Verhältnis zwischen den alten Verbündeten USA und EU offiziell als zerrüttet gelten.

Der Vertrag, der die Entwicklung von Atomwaffen durch Iran verhindere, gehöre der ganzen internationalen Gemeinschaft, sagt die Italienerin. "Die EU ist entschlossen, ihn zu erhalten", verkündet sie. Um der kollektiven Sicherheit willen erwarte man von der internationalen Gemeinschaft, ihren Teil zu tun, um das Abkommen zu bewahren. Solange Iran sich an den Deal halte, werde auch die EU es tun.

Die Frontstellung ist klar, und es ist eine, die noch vor Kurzem undenkbar gewesen wäre. Mogherini appelliert an die Vernunft, und zwar nicht länger an die in Washington, sondern an die in Teheran: "Lassen Sie niemanden dieses Abkommen demontieren. Es ist eine der größten Errungenschaften, welche die Diplomatie je zuwege gebracht hat - und wir haben sie gemeinsam erreicht."

Sorge über die von Trump angekündigten neuen Sanktionen

Schon in den Stunden vor Trumps Ausstieg aus dem Atomabkommen hatte es europäisch-iranische Gespräche über eine gemeinsame Rettungsaktion gegeben. In Brüssel kamen Abgesandte Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands mit Mogherinis Generalsekretärin Helga Schmid und dem iranischen Vize-Außenminister Abbas Araghchi zusammen. Es sei darum gegangen, "die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Wiener Nuklearvereinbarung aufrechterhalten und umgesetzt wird", hieß es aus dem Auswärtigen Amt.

Besorgt sind die Europäer, ob Irans Präsident Hassan Rohani dem zunehmenden Druck vonseiten der Hardliner im Land standhalten kann, die das 2015 zwischen den USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, der EU und Iran abgeschlossene Abkommen ohnehin stets abgelehnt hatten. Mogherini schlägt deshalb Töne an, die Rohani im Machtkampf helfen sollen. Das Abkommen, sagt sie, sei der Beweis, dass der Dialog Früchte trage und "Respekt eine universelle Sprache ist".

Besonders besorgt zeigt sich die Außenbeauftragte über die von Trump angekündigten neuen Sanktionen - auch, weil diese sich potenziell gegen europäische Unternehmen richten. Die EU werde nicht nur ihre Sicherheits-, sondern auch ihre ökonomischen Interessen verteidigen, warnt Mogherini.

EU-Ratspräsident Tusk kündigt "vereinten europäischen Ansatz" an

In diesem Zusammenhang ist ein Tweet interessant, den etwa zeitgleich EU-Ratspräsident Donald Tusk veröffentlicht. Der Pole stellt einen Zusammenhang her zwischen den beiden großen Streitthemen mit den USA. Trumps Politik in Sachen Iran und Handel werde mit einem "vereinten europäischen Ansatz" begegnet, kündigt er an. Beim Gipfel kommende Woche in Sofia würden die Staats- und Regierungschefs genau darüber sprechen.

Fast rührend wirkt da, dass Mogherini ganz an den Anfang ihrer Rede noch einmal den obligaten Treueschwur gestellt hatte, dass die USA "unser engster Partner bleiben". Wie der Iran-Deal vor diesem "engsten Partner" geschützt werden kann, darüber ist in den europäischen Hauptstädten in den vergangenen Tagen viel nachgedacht worden. Mogherini betont noch einmal, dass es sich um ein multilaterales Abkommen handele, das von einer Seite allein gar nicht gekündigt werden könne.

Tatsächlich besteht der "Gemeinsame umfassende Aktionsplan", der die Aufhebung von Sanktionen im Gegenzug zur Einstellung von Nuklearaktivitäten vorsieht, fort, auch wenn eine Seite sich nicht mehr an die Vereinbarungen hält. Unter den Punkten 36 und 37 sieht er sogar einen "Konfliktlösungsmechanismus" vor, den Teheran nun auslösen könnte und der es erlauben würde, vor verschiedenen Gremien bis hin zum UN-Sicherheitsrat zu klagen. Zu rechnen schien man in Brüssel damit aber nicht unbedingt, denn dieser Weg hätte für Iran einen Nachteil: Die Führung in Teheran würde sich damit zunächst einmal selbst die Hände binden und wäre weiter zur Einhaltung des Abkommens verpflichtet.

Große Konzerne schrecken vor Investitionen in Iran zurück

Andere Überlegungen gehen in die Richtung, durch wirtschaftliche Anreize den Deal zu stützen. So sollen im Iran-Geschäft aktive europäische Firmen gegen mögliche US-Sanktionen abgesichert werden. Betreffen würde das hauptsächlich kleine und mittlere Unternehmen. Große Konzerne schrecken bislang wegen der unklaren Lage ohnehin vor Investitionen in Iran zurück.

Als sicher gilt, dass die Wiedereinführung von US-Sanktionen den aus iranischer Sicht ohnehin bescheidenen wirtschaftlichen Ertrag des Abkommens weiter schrumpfen lassen wird. "Wir ermuntern Iran, mit Augenmaß auf die US-Entscheidung zu reagieren", heißt es schließlich am Abend in einer gemeinsamen Erklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und der britischen Premierministerin Theresa May. Iran müsse seine Verpflichtungen weiterhin erfüllen und zeitnah den Inspektionsanforderungen der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEO entsprechen. Man sehe sich "weiterhin verpflichtet, uns für den Erhalt des Abkommens einzusetzen" und wolle es mit allen verbliebenen Parteien bewahren. Dies schließe "den Erhalt von wirtschaftlichen Vorteilen für das iranische Volk ein, die mit dem Abkommen verknüpft sind."

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