Europa gegen Trump:EU zeigt Kampfesmut und Nervenflattern

Europa gegen Trump: Zeigten sich vor dem EU-Gipfel in Sofia demonstrativ einig und vergnügt (von links): Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, die britische Premierministerin Theresa May und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Zeigten sich vor dem EU-Gipfel in Sofia demonstrativ einig und vergnügt (von links): Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, die britische Premierministerin Theresa May und Bundeskanzlerin Angela Merkel.

(Foto: AFP)
  • Auf dem EU-Gipfel in Sofia ging es vor allem um den schwierigen Umgang mit den USA.
  • Die EU will das Atomabkommen mit Iran bewahren und sich gegen die US-Sanktionen zu Wehr setzen.
  • Wie das gehen soll, weiß in Sofia noch niemand so richtig - trotzdem geben sich die versammelten Staatschefs kämpferisch.

Von Daniel Brössler, Sofia

Gut gelaunt schlendern zwei ältere Damen und ein junger Mann durch Sofia. Sie plaudern, sie scherzen. Die Sonne scheint, das Leben ist schön.

Es ist ein Bild, das in auffälligem Gegensatz steht zu den drastischen Tönen, die EU-Ratspräsident Donald Tusk noch vor Beginn dieses Gipfels angeschlagen hatte. "Mit solchen Freunden, wer braucht da noch Feinde?", hatte Donald Tusk über den amerikanischen Präsidenten Donald Trump gesagt. Eigentlich soll es in Sofia um den westlichen Balkan und seine europäische Zukunft gehen, aber natürlich muss erst einmal über die Gegenwart geredet werden.

Die EU will sich den Schneid nicht abkaufen lassen

Darüber, was der "Freund" aus Amerika angerichtet hat. Und wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel, Premierministerin Theresa May und Präsident Emmanuel Macron nun auf dem morgendlichen Spaziergang über die "Brücke der Liebenden" heitere Gelassenheit zur Schau tragen, dann soll das eigentlich nur zeigen: Die Lage ist ernst, aber hey, wir verlieren nicht die Nerven. Wir haben einen Plan.

Beim Abendessen vor dem eigentlichen Gipfel am Donnerstag haben die Staats- und Regierungschefs aus den 28 EU-Staaten darüber gesprochen, was die Europäer den Eskapaden, den Launen, den Provokationen Trumps entgegensetzen können. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini haben dafür ein paar Optionen mitgebracht. Im Wesentlichen geht es um zweierlei: Wie kann der Nukleardeal mit Iran nach dem Ausstieg der USA vor dem Kollaps bewahrt werden? Und ist ein Handelskrieg zwischen den USA und der EU noch zu verhindern? Die Dinge liegen in beiden Fällen sehr unterschiedlich, aber hier wie dort will die EU sich den Schneid nicht abkaufen lassen. Fürs Erste.

Die EU braucht Mittel gegen die US-Sanktionen

"Alle in der Europäischen Union teilen die Meinung, dass dieses Abkommen nicht vollkommen ist, aber dass wir in diesem Abkommen bleiben sollten", sagt Merkel zum Atomdeal. Auf dieser Basis sollten "weitere Verhandlungen" mit Iran geführt werden "über andere Themen wie zum Beispiel das ballistische Raketenprogramm". Die vage Hoffnung besteht darin, dass sich Teheran erst einmal weiter an die Bestimmungen des Atomabkommens hält und dann auch noch zu weiteren Verhandlungen bereit sein könnte.

Doch dafür müsste das Abkommen wenigstens die nächsten Wochen überleben, wofür Iran wiederum wirtschaftliche Zusagen verlangt. Folglich braucht die EU dringend Mittel und Wege gegen die wiederverhängten US-Sanktionen; sie bedrohen auch jedes europäische Unternehmen, das in Iran und in den USA tätig sein will.

Eine alte Verodrdnung soll europäische Firmen schützen

Diese Unternehmen zu schützen scheint angesichts ungleicher Kräfteverhältnisse fast unmöglich zu sein, doch die EU-Kommission ist nicht mit gänzlich leeren Händen nach Sofia gekommen. Aus den Archiven haben Beamte eine Verordnung von 1996 hervorgekramt. Sie trägt die Nummer 2271 und dient laut Überschrift "dem Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte". Heißt übersetzt: Die EU lässt nicht zu, dass die Amerikaner europäische Firmen bestrafen für Dinge, die sie ganz woanders und aus EU-Sicht auch noch legal tun.

1996 ging es um Kuba, nun soll die alte Verordnung das Iran-Geschäft schützen. Und zwar mit drastischen Mitteln. Unternehmen aus der EU würde verboten, sich den US-Sanktionen zu unterwerfen. Der wirtschaftliche Schaden würde vor allem kleinen und mittleren Unternehmen ersetzt und zwar aus US-Vermögen, das die EU beschlagnahmt. Das klingt abenteuerlich und ist es wohl auch. Wirklich angewandt wurde die Verordnung auch in den 1990er-Jahren nicht. Sie diente lediglich als Druckmittel. Mit Erfolg. Der US-Präsident hieß damals allerdings Bill Clinton.

Die Europäer sind von ihrem eigenen Plan nicht überzeugt

Hisbollah im Visier

Die USA und ihre Alliierten im Nahen Osten erhöhen den Druck auf Irans Verbündete. Am Mittwoch verhängte das Finanzministerium in Washington Sanktionen gegen Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und dessen Vize Naim Qassim sowie vier weitere Mitglieder der Schura, des höchsten Entscheidungsgremiums der Organisation. Man mache damit nicht länger die "falsche Trennung zwischen dem sogenannten politischen Flügel und den weltweiten Terror-Aktivitäten", sagte Finanzminister Steven Mnuchin. In den USA ist die Hisbollah als Terrororganisation eingestuft, in der EU nur ihr militärischer Arm.

Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und weitere Golfstaaten schlossen sich an. Damit werden etwa Konten der Betroffenen eingefroren. Gegen Nasrallah bestanden bereits US-Sanktionen, gegen die anderen nicht.

Am Dienstag hatten die USA bereits den Chef der iranischen Zentralbank zum Terroristen erklärt und ihn sowie acht weitere Iraner mit Sanktionen belegt - weil sie die Revolutionsgarden und die Hisbollah unterstützen. Auch eine Bank im Irak und deren Chef, der gerade ins Bagdader Parlament gewählt wurde, stehen auf der Sanktions-Liste. Paul-Anton Krüger

Die Lage ist nun eine deutlich andere, aufbauen will die EU die Drohkulisse trotzdem. Schon an diesem Freitag, "als erste Sache am Morgen", wie Juncker sagt, soll die aktualisierte Verordnung auf den Weg gebracht werden, um notfalls am 6. August - wenn die US-Sanktionen greifen - bereit zu sein. Ein weiterer Plan sieht vor, spätestens zu diesem Zeitpunkt der Europäischen Investitionsbank (EIB) Aktivitäten in Iran zu erlauben. Es ist der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der ziemlich freimütig zugibt, dass das alles kein Plan ist, von dem die Europäer selber restlos überzeugt wären. Man habe jetzt einige Wochen Zeit, das Atomabkommen zu retten, sagt er. Und fügt hinzu: "Ob es gelingt, kann im Moment keiner sagen, aber wir werden uns anstrengen."

Da wird dann schon deutlich, wo die EU ihr Kerngeschäft hat und wo sie eher noch als Start-up agiert. Mit der Aufgabe, einen komplizierten internationalen Vertrag wie jenen mit Iran gegen die Supermacht USA zu verteidigen, fühlen sich die meisten Europäer erkennbar überfordert, in Sachen Handel und drohender Strafzölle aber präsentieren sie sich kämpferisch. "Man erlebe "eine sehr unberechenbare amerikanische Politik", welche die wirtschaftlichen Interessen Europas gefährde. "Das können, das wollen wir uns so auch nicht bieten lassen", sagt Kanzler Kurz. Und das sagen, so oder ein bisschen anders, alle aus der Runde. Der französische Präsident Emmanuel Macron zeichnet, wie es seine Art ist, die lange Linie. Es gehe, sagt er, um die Wahrung der "ökonomischen Souveränität" Europas.

Das Angebot, das die EU unterbreitet, ist auf Trump zugeschnitten, also im Kern simpel. Man verlange eine unbefristete Ausnahme von den Trump'schen Strafzöllen auf Stahl und Aluminium, sagt Merkel. Dafür sei man "aber auch bereit, darüber zu sprechen, wie wir reziprok die Barrieren für den Handel reduzieren". Ein Deal also für den Dealmaker. Die EU lockt den Amerikaner mit einem Geschäft, das ihm an Herzen liegt: der verstärkten Einfuhr von Flüssiggas aus den USA. Auch der Zugang für US-Industriegüter, Autos eingeschlossen, soll erleichtert werden. Eine Reform der Welthandelsorganisation (WTO) könnten Amerikaner und Europäer ebenfalls gemeinsam betreiben. Von einer Reanimierung des Freihandelsabkommens TTIP wäre das alles zwar weit entfernt, von einem Handelskrieg aber auch.

Man könne über alles reden, fasst EU-Kommissionspräsident Juncker zusammen, "aber nicht mit dem Damoklesschwert über unseren Köpfen". Das, meint er, sei doch eine "Frage der Ehre".

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