Europäische Union:Macron will EU-Beitritte bremsen

Europäische Union: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht sich als mutiger EU-Reformer.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht sich als mutiger EU-Reformer.

(Foto: GONZALO FUENTES/AFP)
  • Frankreichs Präsident Macron will die EU-Erweiterungspolitik reformieren, auch aus innenpolitischem Kalkül.
  • Brüssel reagiert verhalten auf den Vorstoß und sieht noch etliche "Fragezeichen".
  • Vor allem in Osteuropa löst Macron damit die Sorge aus, dass die Aufnahme von Beitrittsgespärchen mit Nordmazedonien und Albanien auf unbestimmte Zeit verhindert wird.

Von Matthias Kolb, Brüssel, und Nadia Pantel, Paris

Einen Monat, nachdem Präsident Emmanuel Macron im Alleingang die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien blockiert hat, präsentiert Frankreich Vorschläge für die Reform der EU-Erweiterungspolitik. Das zweieinhalb Seiten lange "Non-Paper" sollen an diesem Dienstag die Europaminister in Brüssel diskutieren. Paris fordert, die Bedingungen für eine EU-Mitgliedschaft "stringenter" und den Prozess "gradueller" zu gestalten und ihn im Fall fehlender Reformen auch umkehrbar zu machen.

In Brüssel wird das Papier eher verhalten aufgenommen. "Es gibt noch viele Fragezeichen", sagt ein EU-Diplomat. Positiv sei, dass Paris die europäische Perspektive für die Westbalkan-Staaten, also Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien, "eindeutig" unterstütze. Auch die Idee von jährlichen Gipfeltreffen der EU mit den Staats- und Regierungschefs der entsprechenden Länder sei gut. Länger ist die Liste der Kritikpunkte.

So sorgen sich gerade osteuropäische Länder, dass der Fokus auf eine "Methodendiskussion" die Aufnahme von Beitrittsgesprächen mit Nordmazedonien und Albanien (hier blockieren auch Dänemark und die Niederlande) auf unbestimmte Zeit verhindern werde. Bemängelt wird auch, dass Paris vor der nächsten Erweiterung sicherstellen will, "dass sich die EU reformiert hat und effektiver auf die Anliegen ihrer Mitglieder reagieren" kann. Wie dies gemessen werden soll, ist offen. Auch hier wird befürchtet, dass die Kandidatenländer immer wieder vertröstet werden.

Frankreich selbst sieht sich als mutiger Verteidiger einer Position, die viele nur im Stillen äußern würden. Er sei sich "sicher", dass die Hälfte der EU-Mitglieder sich in dieser Frage hinter Frankreich verstecken würde, sagte Macron jüngst in einem Interview. Mehr Geschlossenheit in der EU sei nötig: "Manche wollen, dass die Toastbrotscheibe immer größer wird, aber wenn es darum geht, mehr Butter drauf zu schmieren, weigern sie sich." Wer genau toastet, und wer genau buttert, lässt Macron offen, doch die Metapher ergibt am ehesten Sinn, wenn sie als Botschaft an Berlin gelesen wird. An diejenigen, die lieber sparen statt zu investieren und zugleich den Westbalkan-Ländern eine Beitrittsperspektive bieten wollen. Aus dem Élysée heißt es, man wolle die Äußerungen als Nachricht an die EU-Partner verstanden wissen - und weniger an Nordmazedonien und Albanien.

Zahl der Asylanträge in Frankreich deutlich gestiegen

Innenpolitisch steht Albanien für Macron aus anderen Gründen auf der Agenda. Unter den Menschen, die in Frankreich Asyl beantragen, standen 2018 und 2019 Albaner auf Platz drei, nach Georgiern und Afghanen. Seit Januar haben 4800 Albaner einen Asylantrag gestellt. Albanien gilt jedoch als sicheres Herkunftsland, 2018 wurden nur 17 Prozent der Anträge positiv beschieden. Macron betont, dass er den Franzosen nicht vermitteln könne, dass gleichzeitig so viele Albaner Asyl beantragen, während Verhandlungen mit Tirana über einen EU-Beitritt aufgenommen werden.

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Asylanträge in Frankreich um 22 Prozent auf mehr als 120 000 gestiegen. Macron will diesen Trend beenden. Er begründet dies auch damit, dass er seiner rechtsradikalen Konkurrentin Marine Le Pen in migrationspolitischen Fragen nicht das Feld überlassen wolle. Im Oktober stellte die Regierung einen 20-Punkte-Plan vor, der die Einwanderung stärker beschränken soll. Es gilt in Frankreich als ausgemacht, dass sich Macron und Le Pen auf ein weiteres Duell 2022 einstellen.

In Brüssel klagen viele über diese wahltaktisch motivierten Winkelzüge. Der Unmut ist stark, denn das Veto beim Thema Erweiterung ist nicht der einzige Alleingang. Auch Macrons Aussage über die "hirntote" Nato wird angesichts der vorgeschlagenen Annäherung an Moskau sehr kritisch gesehen. All dies schwäche die Glaubwürdigkeit der Europäer in geostrategisch wichtigen Regionen, und darüber freue sich nur Wladimir Putin. Dessen Botschafter bei der EU, Wladimir Schischow, nutzt die Chance, um mehr Zwietracht zu säen - und lobt Macrons Analyse: "Objektiv gesehen wäre es eine enorme Übertreibung zu sagen, dass Albanien und Nordmazedonien reif sind für einen EU-Beitritt."

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