Europa:Deutschland und Frankreich wollen künftig gemeinsam auf Krisen reagieren

Europa: Krisen frühzeitig analysieren: Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen setzt ihre Unterschrift unter die Absichtserklärung zur Gründung der EI2.

Krisen frühzeitig analysieren: Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen setzt ihre Unterschrift unter die Absichtserklärung zur Gründung der EI2.

(Foto: John Thys/AFP)
  • Auf französische Initiative unterzeichnen neun europäische Länder eine Absichtserklärung zur Gründung der sogenannten EI2.
  • Mit dabei: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).
  • Geplant ist ein "Forum gleichgesinnter Länder", die gemeinsame Lageanalysen anfertigten und "sich frühzeitig miteinander besprechen wollen, wenn sich in Regionen Krisen abzeichnen.

Von Daniel Brössler, Luxemburg

Am Ende ist es eine fast reibungslose Geburt. Im September hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron in seiner Sorbonne-Rede eine gemeinsame "strategische Kultur" in Europa gefordert und die Idee einer "Europäischen Interventionsinitiative" (EI2) präsentiert.

Die Reaktionen bewegten sich zwischen Verwirrung und Misstrauen, vor allem in Deutschland. Die Bundesregierung machte etliche Bedenken geltend, witterte den Aufbau einer Interventionstruppe außerhalb von Nato und Europäischer Union. Neun Monate nach der Sorbonne-Rede ist von Bedenken nun erst einmal keine Rede mehr.

Die französische Verteidigungsministerin Florence Parly hat in Luxemburg acht Kolleginnen und Kollegen versammelt, die in alphabetischer Reihenfolge eine Absichtserklärung zur Gründung der EI2 unterzeichnen. Mit dabei: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Frankreich will die anderen Europäer in die Pflicht nehmen

Es gehe um ein "Forum gleichgesinnter Länder", die gemeinsame Lageanalysen anfertigten und "sich frühzeitig miteinander besprechen wollen, wenn sich in Regionen Krisen abzeichnen, um dann gemeinsam auch politischen Willen zu entwickeln", erläutert die Ministerin. Nur um Lageanalysen geht es den Franzosen freilich nicht. Man wolle "ein schnelles und handhabbares Verfahren, um die europäischen Militärkräfte zusammenzubekommen, wenn es notwendig ist", hatte Parly schon im Oktober klargestellt.

Für Frankreich geht es darum, die Europäer in die Pflicht zu nehmen, wenn sich eine Lage zuspitzt wie etwa im Januar 2013 in Mali. Damals standen Islamisten von al-Qaida kurz davor, die Regierung aus der Hauptstadt Bamako zu vertreiben. Frankreich eilte ihr zu Hilfe, europäischer Beistand aber ließ auf sich warten. Im Nachhinein waren auch die Deutschen den Franzosen dankbar, dass sie rechtzeitig die Kastanien aus dem Feuer geholt hatten.

Dennoch reagierte die Bundesregierung auf Macrons Initiative zunächst skeptisch, weil sie eine Konkurrenz zum Aufbau einer Europäischen Verteidigungsunion befürchtete. Die Franzosen wiederum wollten unbedingt Briten und Dänen einbinden, die bei der neuen Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Militärbereich (Pesco) nicht dabei sind. Im großen deutsch-französischen Kompromisspaket von Meseberg stand EI2 dann aber doch ganz oben auf der Liste. Man unterstütze Ziele und Projekte der Pesco, heißt es nun in der Luxemburger Absichtserklärung.

Zu den Unterzeichnern gehören auch die Niederlande, Spanien, Portugal sowie Estland. Für Interessierte bleibt die Tür der EI2 offen. Entgegen der ursprünglichen Planung ist Italien zunächst nicht dabei. Die neue Regierung in Rom habe ein Problem mit dem Namen der Initiative, ist in Luxemburg zu hören. Die Friktionen zwischen Frankreich und Italien in der Migrationskrise dürfte die Verhandlungen freilich nicht leichter gemacht haben.

Den Bedenken der anderen Teilnehmer sind die Franzosen aber durchaus entgegengekommen - vor allem der Sorge, dass hier eine neue Interventionsarmee Gestalt annimmt. "EI2 beinhaltet nicht die Schaffung einer neuen schnellen Eingreiftruppe", steht nun ganz ausdrücklich unter Punkt elf der Absichtserklärung. Beschrieben wird die Initiative als "flexibles, unverbindliches Forum" von Staaten, die "bereit und fähig" seien, ihre Kräfte einzusetzen, wenn es nötig sei, europäische Sicherheitsinteressen zu wahren. Aktiv werden könne man im Rahmen von EU, Nato, UN oder in "Ad-hoc-Koalitionen".

Für Deutschland wird es an dem Punkt heikel, denn das Grundgesetz setzt Auslandseinsätzen klare Grenzen. Von der Leyen stellt daher auch klar, dass aus EI2 heraus keine Marschbefehle erteilt werden können. "Das eine ist das Forum und das andere sind die Truppen", sagt sie.

Zwar wird es ein kleines Sekretariat in Paris geben, aber über wirkliche eigene Ressourcen wird Macrons Initiative nicht verfügen. Vielmehr soll sie einen Rahmen bilden, um Strategien und Planspiele für den Ernstfall durchzugehen. Aufgabe von EI2 soll es auch sein, Operationen zu unterstützen, Lektionen vergangener Missionen zu lernen und an einer europäischen "Doktrin" für solche Fälle zu arbeiten.

Aus Sicht der Franzosen ist dies sogar der zentrale Punkt. Europa habe es mit der "höchsten Konzentration an Herausforderungen seit Ende des Kalten Krieges" zu tun, heißt es in der Absichtserklärung. Erwähnt wird da der Krisenbogen vom Mittelmeer über die Sahelzone bis zum Nahen Osten. Er begrüße die neue Initiative, beteuert Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. "Wir brauchen hohe Einsatzbereitschaft", sagt er, und auch EI2 könne da einen Beitrag leisten. Die Amerikaner freilich haben sich schon besorgt danach erkundigt, warum denn so eine Initiative ohne sie auf den Weg gebracht werde. Eine offizielle Begründung gibt es dafür nicht. Wenn im EI2-Papier von einem "instabilen und unsicheren strategischen Umfeld" die Rede ist, zielt das auch auf US-Präsident Donald Trump.

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