Sorge um Schlagkraft des EFSF-Schirms:Genug Geld im Rettungsfonds

Seit es ihn gibt, warnen Politiker und Ökonomen, der Euro-Rettungsschirm EFSF sei zu klein, die Milliarden im Topf reichte nicht aus. Wer nachrechnet, kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass das nicht stimmt: Bis 2012 ist genug Geld im Fonds, denn nur einzelne der 17 Euro-Länder werden EFSF-Mittel in Anspruch nehmen müssen.

Cerstin Gammelin

Seit im Mai 2010 auf einem nächtlichen Krisengipfel in Brüssel beschlossen wurde, einen gemeinsamen Rettungsfonds für klamme Euro-Länder zu gründen, werden Politiker und Ökonomen quer durch Europa nicht müde zu lamentieren: "Das Geld im Rettungstopf reicht nicht. Wir brauchen mehr."

Euro-Skulptur in Frankfurt

Der Schirm ist groß genug: Zumindest bis Ende 2012 dürfte der Euro-Rettungsfonds für klamme Euro-Länder ausreichen.

(Foto: dpa)

Die Liste der Rufer reicht von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und seinen Kommissaren bis hin zum polnischen Finanzminister Jacek Rostowski. Sein Land hat derzeit die Ratspräsidentschaft inne und führt noch bis Ende des Jahres die Geschäfte der Europäer in Brüssel. Rostowski forderte gerade forsch, den Euro-Rettungsfonds EFSF auf 3000 Milliarden Euro zu hebeln, damit der Euro-Klub gerettet sei. Aber wer hat schon 3000 Milliarden Euro? Der Euro-Klub jedenfalls nicht, und so ist es kein Wunder, dass seither immer mehr Leute vor der Apokalypse warnen - und dass diejenigen, die das Gegenteil behaupten, ungehört bleiben.

Wer nun selbst nachrechnet, ob der Euro-Klub tatsächlich an fehlenden Milliarden zerbrechen könnte, kommt zu einem überraschenden und beruhigenden Ergebnis. Es ist ein klares Nein. Jedenfalls bis Ende 2012 reicht das Geld. So lange existiert der Euro-Rettungsfonds EFSF, danach soll er von einem ständigen Rettungsfonds mit dem Namen ESM abgelöst werden, der wiederum neu gefüllt wird.

Und das ist die nüchterne Rechnung: Es gibt insgesamt 17 Länder, in denen der Euro die nationalen Währungen abgelöst hat. Davon zählen sechs zu den weltweit begehrtesten Schuldnern. Das heißt, Schuldscheine, die diese Länder ausgeben, werden gerne und viel gekauft. Das wiederum bedeutet, dass sie keine Probleme haben, ihre Staatsschulden zu finanzieren. Diese Länder sind Deutschland, Frankreich, Finnland, Österreich, Luxemburg und die Niederlande. Sie werden von den Ratingagenturen mit der Bestnote AAA bewertet. Diese drei Buchstaben weisen aus, dass all diejenigen, die diesen Staaten Geld leihen, sicher sein können, dass sie es komplett zurückgezahlt bekommen. Hinzu kommt, dass viele professionelle Anleger wie etwa große Rentenfonds gerade in Krisenzeiten dazu verpflichtet sind, das Geld ihrer Beitragszahler ausschließlich in Anleihen zu investieren, die mit der besten Note versehen sind.

Zieht man von den 17 Euro-Ländern also die sechs ab, die ihre Schulden problemlos finanzieren können, bleiben elf übrig. Davon wiederum werden zwei, nämlich Irland und Portugal, bereits aus dem EFSF finanziert. Irland stellte als erstes Euro-Land einen Antrag auf finanzielle Hilfen. Die Regierung in Dublin bekommt insgesamt 67,5 Milliarden Euro. Der EFSF ist mit 17,7 Milliarden Euro dabei, der Rest stammt von einzelnen europäischen Ländern, der Europäischen Kommission und dem Weltwährungsfonds. Portugal beantragte im Mai 2011 Finanzhilfen, auch diese wurden bewilligt. Die Regierung erhält über drei Jahre insgesamt 78 Milliarden Euro, wobei ein Drittel aus dem EFSF stammen.

Welches Land gehört zu den großen Sorgenkindern?

Geplant ist, dass auch Griechenland künftig aus dem EFSF geholfen wird. Bisher finanzieren die Euro-Länder das erste griechische Hilfspaket mit bilateralen Krediten. Die neue Summe steht noch nicht fest, EU-Diplomaten gehen jedoch davon aus, dass es sich um rund 80 Milliarden Euro handeln könnte.

Zieht man also von den 17 Euro-Ländern die sechs mit bester Kreditwürdigkeit benoteten und die drei bereits mit Finanzhilfen wirtschaftenden Länder ab, bleiben acht übrig. Welches von diesen acht Ländern gehört tatsächlich zu den großen Sorgenkindern, die demnächst Finanzhilfen beantragen könnten?

Slowenien, Estland und die Slowakei zählen jedenfalls nicht dazu. Dort liegen die Schuldenberge deutlich unter den erlaubten 60 Prozent, bezogen auf die Wirtschaftskraft. Die Kreditwürdigkeit der drei osteuropäischen Länder ist ebenfalls passabel, alle drei werden im Bereich der Note A bewertet. Das bedeutet, dass sie zwar nicht zu den besten Schuldnern gehören, dass aber im Großen und Ganzen keine Zweifel daran bestehen, dass die Regierungen ihre Schulden zurückzahlen werden - nur eben mit höheren Risikoaufschlägen als die mit der Bestnote bewerteten Länder.

Damit bleiben fünf Länder übrig, darunter die wirtschaftlichen Leichtgewichte Zypern und Malta. Um Malta muss sich der Euro-Klub keine größeren Sorgen machen. Der Schuldenberg und die Neuverschuldung liegen beinahe in den vorgegebenen Grenzen, die Noten der Ratingagenturen liegen im Bereich A für passable Kreditwürdigkeit. Zypern steht weitaus schlechter da. Zwar ist der Schuldenberg nicht höher als erlaubt, allerdings lahmt die Wirtschaft, weshalb die Bonitätsprüfer Zypern schlechtere Noten geben. Sie meinen, dass diejenigen, die Zypern Geld leihen, sich dies mit höheren Risikoaufschlägen belohnen lassen sollten. Bereits im Sommer kursierten Gerüchte, wonach Zypern Finanzhilfen beantragen könnte. Das passierte zwar nicht, aber selbst wenn ein Antrag käme, läge die Summe nach Ansicht von EU-Diplomaten "im kleinen zweistelligen Milliardenbereich".

So bleiben am Ende noch drei Länder übrig: Belgien, Italien und Spanien. Alle drei mussten in den vergangenen Tagen hohe Risikoaufschläge zahlen, um ihre Schuldscheine verkaufen zu können. Und alle drei bangen, dass sie künftig noch mehr Geld zahlen müssen, um ihre alten Schulden zu refinanzieren - was sie schlicht in den Ruin treiben würde.

Gute Nachricht aus Belgien

Gute Nachricht kommt allerdings aus Belgien. Das Land war länger als achtzehn Monate ohne Regierung, was die Bonitätswächter zuletzt mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit quittierten. Kommende Woche soll nun die neue Regierung stehen. Und da Belgien ein reiches, wirtschaftlich starkes Land ist, besteht die Hoffnung, dass es nun von der Liste der Sorgenkinder verschwindet.

Italien und Spanien sind dagegen Kandidaten für Finanzhilfen. Die Italiener, weil sie in den nächsten Jahr mehr als 314 Milliarden Euro umschulden müssen und es sich unmöglich leisten können, dafür mehr als um die sieben Prozent Zinsen zu zahlen. Am kommenden Montag will Premier Mario Monti sein Programm vorstellen, mit dem er Italien wieder auf die Beine bringen will. Beobachter schließen nicht aus, dass er dafür vorbeugende Kredite aus dem EFSF beantragen könnte. In Spanien ist die Lage noch ein wenig komplizierter, weil das Land - anders als Italien - derzeit wirtschaftlich nicht überzeugen kann und 2012 mehr als 120 Milliarden Euro umschulden muss.

Hier kommt wieder der EFSF ins Spiel. 440 Milliarden an Krediten darf er insgesamt vergeben. Zieht man die an Griechenland, Portugal und Irland zugesagten Milliarden ab, bleiben noch 250 Milliarden übrig. Konservativ gerechnet, kann dieser Kapitalstock auf 750 Milliarden Euro gehebelt werden. Da sich auch der Internationale Währungsfonds mit einem knappen Drittel an Hilfsprogrammen beteiligt, steht also für 2012 genügend Geld zur Verfügung, um Italien und Spanien bei der Refinanzierung ihrer Schuldenberge zu helfen.

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