Euro-Krise:Wo Regierungen wie Dominosteine fallen

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Es traf liberale, sozialistische und konservative Regierungschefs gleichermaßen: Bereits sechs Regierungen sind über die Euro-Krise gestürzt. Ein Überblick.

Cerstin Gammelin

Jetzt also Griechenland und Italien: Beide Regierungen sind am Ende, demnächst werden andere Köpfe in Athen und Rom regieren, die Bürger zu Neuwahlen gebeten. Von den insgesamt 17 Ländern, die der Euro-Klub umfasst, haben einschließlich Athen und Rom nun binnen eines Jahres sechs Regierungen hingeworfen. Es traf liberale, sozialistische und konservative Regierungschefs.

Italiens Ministerpräsident Berlusconi ist der sechste Regierungschef, der wegen der Euro-Krise seinen Posten räumen muss. (Foto: AFP)

Zwar ist unstrittig, dass alle diese Regierungen im Grunde über die Folgen der dramatischen Schuldenkrise gestolpert sind. Doch die Art und Weise der Rücktritte hat sich im Laufe der Monate geändert. Während die Premierminister zunächst noch auf Druck der eigenen Opposition das Handtuch warfen, sind Giorgos Papandreou und Silvio Berlusconi von europäischen und internationalen Partnern aus ihren Chefsesseln gedrängt worden. Auf dem Treffen der mächtigen G 20 in Cannes am vergangenen Wochenende wurde beiden Politikern klargemacht, dass sie keine Alternative haben als zu gehen, und zwar zügig.

Die Serie der Regierungspleiten in den Euro-Ländern begann am 22. November 2010 in Irland. Der damalige Premierminister Brian Cowen kündigte nach einer Vertrauensabstimmung seinen Rücktritt und Neuwahlen an. Im Dezember flüchtete das Land als erstes der Euro-Zone unter den Rettungsschirm, Dublin hatte sich bei der Rettung seiner Banken übernommen und konnte die Folgekosten nicht mehr allein bezahlen. Es folgten einige turbulente politische Wochen, bis am 25. Februar neu gewählt wurde. Auf den Liberalen Cowen folgte der Konservative Enda Kenny - der nun genauso eisern spart, wie sein Vorgänger das angekündigt hatte.

Ende März erreichte die Schuldenkrise Portugal. Der Sozialist José Sócrates hatte sich lange dagegen gewehrt, unter den Euro-Rettungsschirm zu flüchten. Doch dann lehnte die Opposition die vierte Sparrunde in elf Monaten ab - und zwar wider besseres Wissen. Denn allen politischen Kräften in Portugal war klar, dass es dem Land nur mit strikten Sparprogrammen gelingen würde, nicht unter den Euro-Rettungsschirm flüchten zu müssen. Doch nach dem Nein der konservativen Opposition, in der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso eine große Rolle spielt, war die Minderheitsregierung am Ende. Sócrates trat zurück, im April beantragte Lissabon Finanzhilfen bei der Europäischen Union und dem Internationalen Währungsfonds, am 5. Juni wurde gewählt, seither regiert Pedro Passos Coelho.

Die dramatischen Entwicklungen in Portugal steckten auch Spanien an. Das große Nachbarland geriet immer stärker ins Visier der Finanzmanager, so dass sich Ministerpräsident José Luis Rodrígues Zapatero Ende Juli zu einem ungewöhnlichen Schritt entschloss. Im Anschluss an die letzte Sitzung seines Kabinetts vor der Sommerpause kündigte der Sozialist an, dass die Spanier bereits am 20. November ein neues Parlament wählen sollen - turnusmäßig hätte die Wahl im März 2012 stattgefunden. Zugleich verzichtete er auf eine neue Kandidatur. Es werde Ruhe und Klarheit bringen, wenn die neue Regierung schon zu Beginn des Jahres 2012 antrete, sagte Zapatero damals. Die Entwicklung gibt ihm nachträglich recht. Spanien ist aus den Schlagzeilen verschwunden.

Im vierten Euro-Land, der Slowakei, opferte sich die konservative Regierungschefin selbst. Iveta Radicova verband die Abstimmung über den erweiterten Euro-Rettungsfonds EFSF mit der Vertrauensfrage. Zuvor hatte die sozialistische Oppositionspartei klar erklärt, dass sie dem Rettungsfonds nur zustimme, wenn zugleich vorgezogene Neuwahlen avisiert werden. Da Radicova den EFSF nicht an der Slowakei scheitern lassen wollte (er musste von allen Euro-Ländern einstimmig beschlossen werden), ging sie auf die Forderung der Opposition ein und besiegelte damit den Sturz ihrer Regierung.

So viel Großmut ist in Griechenland oder Italien nicht zu besichtigen. Die Regierungschefs der beiden südeuropäischen Länder kündigten erst dann an, ihren Stuhl zu räumen, als dieser praktisch schon zersägt war. Neu ist auch, dass Papandreou und Berlusconi nicht durch erfahrene nationale Politiker abgelöst werden sollen. Stattdessen sind ausgewiesene Ökonomen oder Juristen im Gespräch, die ihre Karrieren in Europa gemacht haben. Zu den Favoriten für den Chefsessel der griechischen Übergangsregierung zählten der frühere Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, Lucas Papademos, und der Präsident des Europäischen Gerichtshofs, Vassilios Skouris. Und die Italiener rufen nach Mario Monti, ihrem früheren, einflussreichen EU-Kommissar in Brüssel.

© SZ vom 10.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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