Süddeutsche Zeitung

Merkel vor Europa-Ausschuss im Bundestag:Das Achselzucken der Kanzlerin

Lesezeit: 3 min

Ratlos in Berlin: Seit Monaten bemüht sich der Bundestag, bei der Bewältigung der europäischen Schuldenkrise wenigstens eine kleine Rolle zu spielen. Doch egal, was die Abgeordneten beschließen: Am Ende wird gemacht, was die EU-Regierungschefs wollen. Diese Lektion erteilte eine gutgelaunte Kanzlerin den Mitgliedern des Europa-Ausschusses.

Guido Bohsem, Berlin

Es lohnt sich, eine Geste der Kanzlerin im Gedächtnis zu behalten von diesem Auftritt vor dem Europa-Ausschuss des Bundestages: Und das ist ihr Achselzucken. Vielleicht lag es auch nur an den Schulterpoltern des blaugrauen Blazers, den Angela Merkel an diesem sonnigen Mittwoch in Berlin trägt. Jedenfalls hatte es immer etwas Kurioses, wenn Angela Merkel mit den Achseln zuckte, etwas Kurioses und etwas, was man wohl am besten mit beiläufig-autoritär beschreiben könnte.

Die Kanzlerin war gekommen, um die Mitglieder des Ausschusses über den anstehenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs zu informieren. Das passiert gar nicht so selten. Doch diesmal sollte es etwas Besonderes sein. Weil sich die Abgeordneten derzeit nur schlecht über die Pläne der Regierung zur Bewältigung der europäischen und insbesondere der griechischen Schuldenkrisen informiert fühlen, waren neben den Europapolitikern auch die Finanz- und Haushaltsexperten erschienen.

Immer wieder fordert die Regierung kurzfristige Abstimmungen und eiserne Gefolgschaft, obwohl viele Mitglieder der Fraktionen von Union und FDP am liebsten gar nicht mitmachen würden beim Retten der Pleite-Griechen. Mehr noch wurmt es die Parlamentarier, dass die Regierung viele ihrer kritischen Beschlüsse gar nicht umsetzt.

"Es geht nicht", sagen die verantwortlichen Kabinettsmitglieder. "Die wollen nicht", mutmaßt mancher Abgeordneter. Das Murren der Parlamentarier, egal ob sie nun in der Opposition oder der Regierungsmannschaft sitzen, wird jedenfalls dieser Tage immer lauter, weshalb die Kanzlerin sozusagen zweifach vor dem Ausschuss auftauchte - als Regierungschefin und als Zeichen ihres guten Willens.

Keine Chance für kritische Abgeordnete

Aber wie geht das eigentlich bei diesem komplizierten Schlamassel? Wie soll man als Abgeordneter mit einer Redezeit von drei Minuten vernünftig mit der Kanzlerin diskutieren? Wie soll man seine Kritik anbringen an den komplizierten Plänen und komplexen Abwägungen, in denen es von so komischen Abkürzungen wie EFSF, ESM und CACs nur so wimmelt? Was soll man als Opposition sagen, wenn einem sofort vorgehalten wird, man verunsichere die internationalen Finanzmärkte? Die Antwort lautet: Es geht nicht. Man hat keine Chance.

Und vielleicht war es der Frust über diese Erkenntnis, der den Abgeordneten Michael Roth (SPD) so wütend machte. "Sie nehmen Ihre Führungsverantwortung in Europa nicht wahr", schimpfte er in Richtung Bundeskanzlerin. Das Ansehen Deutschlands in den europäischen Ländern sei so schlecht wie seit 40 Jahren nicht mehr. Die Bürger in Griechenland seien nicht bereit, das Merkel'sche Spardiktat länger zu ertragen. "Mit Ihrer oberlehrerhaften Attitüde schaden Sie nur", betonte Roth mit, nun ja, hochrotem Kopf, was den Ausschussvorsitzenden Gunther Krichbaum zu der Bemerkung veranlasste, dass man unter Ausschluss der Öffentlichkeit konstruktiver tage.

Jedenfalls waren es Roths Bemerkungen und auch die Forderungen des FDP-Politikers Michael Georg Link nach einer Beteiligung der Banken und Versicherungen an den Kosten des griechischen Schuldendebakels, was Merkels Schultern so oft so komisch zucken ließ.

"Die Beteiligung privater Gläubiger ist eine Außenseiterposition, mit der man sich unbeliebt macht", konterte Merkel und zuckte mit den Achseln. Daran ändere auch nichts, dass alle im Bundestag für eine solche Umschuldung seien. Sie betrachte es vielmehr als großen Erfolg, Frankreich dazu gebracht zu haben, einer freiwilligen Umschuldung zuzustimmen. Mache man es nicht freiwillig, verweigere die Europäische Zentralbank ihre Mitarbeit. Schulterzucken. Diese wisse aber am besten, welche Bank wie viele griechische Anleihen in ihren Büchern habe.

Gänzlich unklar sei zudem, bei welchen Versicherern sich die Banken gegen einen Ausfall der Griechen-Bonds abgesichert hätten. So könnten die Umschuldungspläne dazu führen, dass das ein oder andere europäische Land, das derzeit noch gut dastehe, gezwungen werde, seine Banken oder Versicherungen zu retten, um dann selbst wieder von der Europäischen Union gerettet zu werden. Schulterzucken. Ähnliches gelte, so die Kanzlerin auch für die immer wieder geforderte Steuer auf Bankgeschäfte. Schulterzucken. Auch hier könne sie in Europa nur werben, stehe aber weitgehend alleine da mit dem Wunsch.

Und dann war sie auch schon vorbei, die Stunde, die Angela Merkel dem Parlament gewährt hatte. Lächelnd schlenderte die Kanzlerin aus dem Saal und zurück blieben die Abgeordneten, frustriert und genauso klug wie vorher.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1111535
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.