Euro-Gruppe:Herzlich oder holprig

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Die Berliner Koalition ist uneins über künftigen Euro-Gruppen-Chef: Soll Jeroen Dijsselbloem weitermachen - oder der Spanier de Guindos kommen?

Von Cerstin Gammelin

BerlinDie Bewerbung des niederländischen Finanzministers Jeroen Dijsselbloem für eine zweite Amtszeit als Vorsitzender der Euro-Gruppe spaltet die Großkoalitionäre in Berlin. "Die Sozialdemokraten in Deutschland unterstützen die Kandidatur von Dijsselbloem", sagte Carsten Schneider, Vize-Chef der SPD-Bundestagsfraktion, am Freitag der Süddeutschen Zeitung. Anders der Koalitionspartner: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich bereits im August des vergangenen Jahres auf den spanischen Finanzminister Luis de Guindos festgelegt. Für die nächste Amtsperiode sei sie sich mit dem spanischen Premierminister Mariano Rajoy einig, die Kandidatur von Luis de Guindos zu unterstützen, sagte sie damals im Beisein von Rajoy in Madrid. Sie lobte den Konservativen als "exzellenten Finanzminister". Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) arbeite eng mit ihm zusammen.

Die SPD stützt den Niederländer Dijsselbloem, die Kanzlerin den Spanier de Guindos

Die zweieinhalbjährige Amtszeit des Sozialdemokraten Dijsselbloem als Chef der Gruppe der Finanzminister aus den 19 Euro-Ländern läuft Ende Juni aus. Der nächste Vorsitzende soll turnusmäßig auf dem Treffen der Euro-Gruppe am 18. Juni in Luxemburg bestimmt werden; er wird mit einfacher Mehrheit gewählt. Bisher treten Dijsselbloem und de Guindos an. Bis zum 16. Juni sind Kandidaturen möglich. Schäubles Sprecher sagte am Freitag auf Nachfrage, sein Minister unterstütze die Festlegung der Bundeskanzlerin auf den Spanier. "Wir stehen zu de Guindos", sagte er. "Wenn es zu einer Abstimmung käme, würden wir ihn unterstützen."

Anlass für den vom Sprecher gewählten Konjunktiv sind laufende Gespräche auf Euro-Arbeitsebene, in denen erwogen wird, die Abstimmung zu verschieben, mindestens um einen Monat auf das Ministertreffen im Juli. Die von Spanien angeführten Befürworter der Verschiebung argumentieren, dass die Verhandlungen zur Beilegung der Krise in Griechenland keine Zeit ließen, sich ausreichend mit den Bewerbern zu beschäftigen. Zudem könnten die Staats- und Regierungschefs auf dem nächsten EU-Gipfel am 24./25. Juni in Brüssel über die Personalie beraten. Auf der Gegenseite heißt es, Gespräche auf Chefebene änderten mit großer Wahrscheinlichkeit nichts an den bestehenden Mehrheiten, da der niederländische Premier Mark Rutte und der spanische Kollege Rajoy jeweils den eigenen Kandidaten unterstützten und sich damit neutralisierten.

Angaben aus Kreisen der Euro-Länder zufolge hat Dijsselbloem die nötige einfache Mehrheit für seine Wiederwahl bereits beisammen. Er kann mit den Stimmen der Regierungen in Rom (sozialdemokratisch) und Paris (sozialistisch) rechnen und mit denen der nord- und osteuropäischen Euro-Länder, wo sich die meist konservativ geführten Regierungen zufrieden zeigen mit dem Führungsstil des Niederländers.

Jenseits der Verpflichtung, das Wort der Kanzlerin einzulösen, steht auch Bundesfinanzminister Schäuble einer zweiten Amtszeit von Dijsselbloem durchaus aufgeschlossen gegenüber. Das Verhältnis der beiden sei "sehr herzlich", betonte sein Sprecher. Schäuble war es gewesen, der Dijsselbloem Ende 2012 als Nachfolger des bis dahin einzigen Euro-Gruppen-Vorsitzenden Jean-Claude Juncker ins Gespräch brachte und dessen Wahl Anfang 2013 maßgeblich durchsetzte. Der Niederländer war erst zwei Monate zuvor von Premier Rutte zum Finanzminister berufen worden, ohne fachliche oder diplomatische Erfahrung. Der Start verlief holprig. Für das Rettungspaket für Zypern brauchte er zwei Anläufe. Später versetzte er die Finanzmärkte mit unüberlegten Äußerungen über die Abwicklung von Banken in Aufregung. Auch Schäuble ärgerte sich über seinen Zögling, etwa als dieser wenige Tage nach dem Amtsantritt der Regierung von Alexis Tsipras Ende Januar nach Athen reiste. "Wir haben ja Reisefreiheit in Europa", antwortete Schäuble auf die Frage, mit welchem Auftrag Dijsselbloem nach Athen reise.

Für Dijsselbloem spricht auch, dass er absehbar Finanzminister bleiben wird. In Spanien dagegen wird im Herbst gewählt, die regierenden Konservativen haben wegen zahlreicher Korruptionsskandale an Sympathien verloren - nicht unwahrscheinlich also, dass de Guindos sein Amt verliert. Der Posten jedoch ist Voraussetzung dafür, die Gruppe der Euro-Finanzminister zu leiten.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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