Kampf gegen Kriminalität:Breites Sammeln von Daten bleibt verboten

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In mehreren Urteilen hat der Europäische Gerichtshof festgehalten, unter welchen Bedingungen es zulässig ist, Verbindungsdaten zu speichern. (Foto: Matthias Balk/picture alliance / Matthias Balk)

Der Europäische Gerichtshof verwirft die deutschen Regeln zur Vorratsdatenspeicherung. Seit fünf Jahren sind diese faktisch ausgesetzt. Nun debattiert die Koalition in Berlin, wie es weitergeht - auch weil die Richter eine Speicherung in mehreren Fällen erlauben.

Von Kassian Stroh

Neue Runde in einer seit Jahren währenden Debatte: Deutschland muss seine Vorschriften zur Vorratsdatenspeicherung ändern. Das hat am Dienstag der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden. Im Urteil heißt es, eine "allgemeine und unterschiedslose" Speicherung sei unzulässig, eine gezielte aber möglich bei schweren Verbrechen und "unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit".

Die deutschen Regelungen werden seit fünf Jahren wegen juristischer Unklarheiten nicht angewendet. Über die Frage, was nun aus dem Urteil folgt, gibt es in der Bundesregierung eine neue Auseinandersetzung: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) plädiert für das umstrittene Instrument und fordert - wie auch CDU und CSU -, die Möglichkeiten, die der EuGH zulasse, zu nutzen. Die Koalitionspartner FDP und Grüne lehnen das ab.

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Vorratsdatenspeicherung bedeutet, dass Telekommunikationsfirmen Telefon- und Internetverbindungsdaten ihrer Kunden für eine bestimmte Zeit sichern müssen, damit Ermittler bei Bedarf darauf zugreifen können. Über die Frage, bei welchen möglichen Straftaten das erlaubt ist und wie lange die Daten gespeichert werden müssen, wird in Deutschland seit Jahren gerungen. Viele Ermittler und Sicherheitspolitiker sehen darin ein unverzichtbares Instrument im Kampf gegen Terroristen oder organisierte Kriminalität, Bürgerrechtler hingegen halten sie für weitgehend unwirksam oder überzogen, da sie alle Menschen unter Generalverdacht stelle.

Mit ihrem Urteil vom Dienstag bleiben die Richter am EuGH, die über ähnliche Fälle in anderen Ländern bereits entschieden haben, bei ihrer bisherigen Linie: Ohne einen konkreten Anlass zu speichern, verstößt gegen EU-Recht. Denn solche Daten ließen "sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben" zu.

In mehreren Fällen erlauben die Richter eine Datenspeicherung aber: Etwa wenn es um eine ernste "Bedrohung für die nationale Sicherheit" geht, dürfe diese auch allgemein angeordnet werden. Und wenn es um schwere Verbrechen gehe, sei eine gezielte Speicherung zulässig - also bezogen etwa auf konkrete Personen oder auf Orte bei Mobilfunkdaten. Auch das "allgemeine und unterschiedslose" Speichern von IP-Adressen angesurfter Seiten billigt der EuGH bei schweren Verbrechen - in einem "auf das absolut Notwendige begrenzten Zeitraum". Zulässig ist für die Richter auch ein als "Quick Freeze" bezeichnetes Vorgehen: Hierbei werden Standortdaten oder IP-Adressen einzelner Nutzer kurzfristig gesichert, sobald gegen sie der Verdacht auf eine schwere Straftat vorliegt.

Grüne und FDP jubeln über das Urteil

Diese vom EuGH aufgeführten Möglichkeiten "müssen wir nun auch nutzen", sagte Innenministerin Faeser in einer ersten Reaktion. Das sei für sie "keine ideologische Frage", sie wolle pragmatisch handeln. Faeser denkt nach eigenem Bekunden an den Kampf gegen Terroristen und organisierte Kriminalität, nicht zuletzt aber auch an sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche. In diesem Fall will sie die Speicherung der IP-Adressen in der Bundesregierung durchsetzen.

Die Koalitionspartner sehen das anders: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) jubelte über das EuGH-Urteil, dies sei "ein guter Tag für die Bürgerrechte". Die Koalition werde "die anlasslose Vorratsdatenspeicherung nun zügig und endgültig aus dem Gesetz streichen". Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz erklärte: "Die Vorratsdatenspeicherung gehört auf die Müllhalde der Geschichte." Buschmann und die Grünen plädieren für ein "Quick Freeze"-Verfahren in Deutschland, was Faeser nicht ausschließt, was ihr aber auch nicht ausreicht. Sie will nun "zeitnah" mit Buschmann einen Kompromiss finden. In ihren Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP im vergangenen Jahr eine eher vage Kompromissformel geschrieben: Man werde "die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können".

An ihrer Seite weiß Faeser die Union. Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagfraktion, Günter Krings, forderte von der Koalition, die Möglichkeit zu nutzen, bei schwerer Kriminalität, zu der auch Kindesmissbrauch zähle, IP-Adressen speichern zu lassen. Dafür brauche es nun "unverzüglich eine entsprechende gesetzliche Grundlage". Ähnliches forderten am Dienstag die Innenminister der von CDU oder CSU regierten Bundesländer.

Zurückgehend auf eine Initiative der EU galt in Deutschland seit 2008 eine Vorratsdatenspeicherung. Firmen mussten damals sieben Monate lang festhalten, wer wann mit wem telefonierte, wer eine E-Mail schrieb oder eine Internetseite aufrief. Im Jahr 2010 verwarf das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz. 2015 wurde daraufhin eine neue Version mit kürzeren Speicherfristen beschlossen. Es folgten juristische Verfahren auf unterschiedlichen Ebenen - und als 2017 das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen die Regelungen für unwirksam erklärte, setzte sie der Bund faktisch aus. Das Bundesverwaltungsgericht legte die Frage schließlich dem EuGH vor.

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