EuGH verhandelt über elektronischen Reisepass:Fingerabdruck stellt Datenschutz auf die Probe

Freiheitsrechte versus staatliche Befugnisse: In Luxemburg verhandelt der Europäische Gerichtshof an diesem Mittwoch über die Klage gegen den elektronischen Fingerabdruck im Reisepass. Das Bundesverfassungsgericht hat in letzter Zeit Freiheitsrechte gestärkt, der EuGH hat seine Karriere als Grundrechtsschützer noch vor sich.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Die Idee stammt natürlich von Otto Schily. Die Anschläge des 11. September 2001 lagen gerade zwei Monate zurück, da forderte der damalige Bundesinnenminister die Aufnahme biometrischer Merkmale in den Ausweis - insbesondere von Fingerabdrücken. Das hatte der deutsche Gesetzgeber seit jeher abgelehnt, auch wegen der Kennkarten-Verordnung der Nazis, wonach Fingerabdrücke von Juden zu nehmen waren.

Aber nun war eine neue Zeit. Das Terrorismusbekämpfungsgesetz von 2002 schuf die Voraussetzungen, eine EU-Verordnung erhob es zur europaweiten Pflicht, und das Passgesetz von 2007 setzte es um: Fingerabdrücke mussten fortan in den Speicherchip des Reisepasses eingelesen werden.

An diesem Mittwoch verhandelt der Europäische Gerichtshof in Luxemburg darüber, ob die Speicherpflicht mit europäischem Recht vereinbar ist. Geklagt hat der Bochumer Rechtsanwalt Michael Schwarz; das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat seinen Fall dem obersten EU-Gericht vorgelegt. Denn der Datenschutz ist in Europa gleich doppelt geschützt, zumindest auf dem Papier: Sowohl durch die EU-Grundrechtecharta als auch durch die Menschenrechtskonvention.

Würde der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt, dann könnte der Kläger auf eine eindrucksvolle Reihe von Entscheidungen verweisen, in denen Ermittlungsbefugnisse beschnitten und Freiheitsrechte gestärkt wurden - vom Lauschangriff über die Rasterfahndung bis hin zu Online-Durchsuchung und Vorratsdatenspeicherung. Der EuGH dagegen hat seine Karriere als Grundrechtsschützer noch vor sich. Das Verfahren könnte mithin ein Indikator sein, wie hoch der Datenschutz in Luxemburg angesiedelt ist.

Voraussetzung für zentrale biometrische Datenbank

Vertreten wird der Kläger durch den Bundestagsabgeordneten Wolfgang Neskovic, der als Expertin Constanze Kurz vom Chaos Computer Club an der Seite hat - sie hatte bereits die Karlsruher Richter in der Verhandlung zu den Vorratsdaten beeindruckt. Sie halten die EU-Verordnung schon aus formalen Gründen für nichtig, weil das europäische Parlament übergangen worden sei. Ihm sei 2003 nur ein Entwurf zur fakultativen, nicht aber zur zwingenden Speicherung vorgelegt worden. Außerdem halten sie die Maßnahme für ineffizient und fehleranfällig. Die dafür notwendigen Funkchips in den Pässen seien kaum gegen unbefugtes Auslesen zu schützen. Und illegale Einwanderung aus anderen Kontinenten lasse sich damit ohnehin nicht unterbinden, sagt Schwarz.

Der Kern ihrer Kritik geht aber ins Grundsätzliche. Mit der elektronischen Erfassung von Fingerabdrücken würden die Voraussetzung für zentrale biometrische Datenbanken geschaffen - wenn nicht auf europäischer Ebene, dann eben in den Mitgliedstaaten. In Deutschland sei dies zwar noch nicht vorgesehen, dafür aber beispielsweise in den Niederlanden und in Österreich.

Kläger halten Iris-Erkennung für den besseren Weg

Und weil der Fingerabdruck nun einmal die klassische kriminalistische Spur ist, erhöht sich mit seiner zentralen Speicherung das Risiko falscher Beschuldigungen: Wer seinen Fingerabdruck zufällig am falschen Ort hinterlassen habe, könne leicht unter Erklärungsdruck geraten. Weshalb die Kläger - wenn Biometrie überhaupt sein muss - die Iris-Erkennung für den besseren Weg halten.

Karlsruhe hatte zwar Ende Dezember eine Beschwerde der Schriftstellerin Juli Zeh gegen die Aufnahme biometrischer Daten aus formalen Gründen nicht zur Entscheidung angenommen, zugleich aber auf dieses Problem hingewiesen: "Im Hinblick auf einen möglichen Missbrauch der Daten durch andere Staaten" stelle sich die Frage, ob dem Passinhaber nicht selbst die Entscheidung über ein Papier mit oder ohne Fingerabdruck überlassen bleiben müsse.

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