EuGH-Urteil:Homosexuellen darf Blutspenden verweigert werden

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Der Europäische Gerichtshof hält den Ausschluss homosexueller Männer vom Blutspenden für angemessen, solange es keine sichere Methode der HIV-Risikokontrolle gibt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Homosexuelle Männer dürfen von Blutspenden ausgeschlossen werden - aber nur, wenn der Ausschluss wirklich das einzige Mittel ist, um Gesundheitsrisiken für die Empfänger von Blutspenden so gering wie möglich zu halten. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg in einem französischen Fall entschieden, wo - wie auch in Deutschland - für homosexuelle Männer wegen ihres erhöhten Risikos einer HIV-Infektion ein Blutspendeverbot gilt. Nach dem Urteil zeichnet sich aber in Deutschland womöglich eine Lockerung ab. Das Paul-Ehrlich-Institut, das gemeinsam mit der Bundesärztekammer die entsprechenden Vorgaben ausarbeitet, hält Erleichterungen für möglich. "Wir überlegen seit Jahren in Deutschland, ob dieser Dauerausschluss (von der Spende) gerechtfertigt ist heutzutage", sagte Rainer Seitz vom Paul-Ehrlich-Institut der Deutschen Presse-Agentur. Auch das Bundesgesundheitsministerium erwartet, dass das Urteil bei der nächsten Aktualisierung der Richtlinien berücksichtigt wird.

Der EuGH stellte klar, dass laut EU-Grundrechtecharta niemand wegen seiner sexuellen Orientierung diskriminiert werden dürfe. Eine Ungleichbehandlung Homosexueller bei Blutspenden sei daher nur erlaubt, wenn sie zum Schutz der Gesundheit erforderlich sei. Der Gerichtshof fordert daher, zunächst Alternativen zu einem Komplettverbot zu prüfen. Dazu gehört die Frage, ob es wirksame Tests gibt, die das Virus im Spenderblut sicher nachweisen können.

Geklagt hatte ein homosexueller Mann, der vor sechs Jahren bei einer Annahmestelle in Metz Blut hatte spenden wollen. Der EuGH stützt sich in seinem Urteil auf Daten, wonach in Frankreich homosexuelle Männer mit 48 Prozent am stärksten von HIV-Infektionen betroffen sind. Auch in Deutschland gelten Männer, die mit Männern Sex haben, als Gruppe mit erhöhtem Risiko. Auf sie entfielen im Jahr 2013 drei Viertel der etwa 3200 HIV-Infektionen, wie eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts ergab.

Die entscheidende Frage für den EuGH ist daher: Lässt sich dieses Risiko durch Bluttests ausschließen? Die französische Regierung und die EU-Kommission hatten in dem Verfahren darauf hingewiesen, dass es nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft bei HIV ein "diagnostisches Fenster" von mehreren Wochen gibt, innerhalb dessen das Virus noch nicht nachweisbar ist. Neue Infektionen sind damit für eine gewisse Zeit unsichtbar - ein Risiko für Blutspenden.

Ein französisches Verwaltungsgericht in Straßburg, das den Fall dem EuGH vorgelegt hatte, muss nun prüfen, welche Möglichkeiten es noch geben könnte, Blutspenden wirksam auf HIV-Infektionen zu überprüfen. Der EuGH deutet die Möglichkeit einer "Quarantäne" der Spenden homosexueller Männer an, ein Verfahren, das aber, wie das Gericht hinzufügt, mit zusätzlichen Kosten verbunden sein dürfte. Zudem bringt der EuGH die Möglichkeit von Befragungen der homosexuellen Spender ins Spiel.

© SZ vom 30.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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