Rechtsstaatlichkeit:EuGH geht erneut gegen Polens Justiz vor

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg

Der Europäische Gerichtshof hat Polen zu einer täglichen Zwangszahlung verurteilt.

(Foto: Arne Immanuel Bänsch/dpa)

Der Europäische Gerichtshof verwirft die Zwangsversetzung eines regierungskritischen Richters aus Krakau - und prangert so nicht zum ersten Mal das dortige Justizsystem an.

Der Europäische Gerichtshof hat die Unabhängigkeit der polnischen Justiz erneut deutlich in Frage gestellt. Die Umstände der Ernennung eines Richters einer Kammer am Obersten Gericht ließen den Schluss zu, dass entsprechende Grundregeln offensichtlich missachtet worden seien, teilte der Gerichtshof in Luxemburg mit. Abschließend müsse darüber jedoch ein Gericht in Polen entscheiden.

Die nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen des Landes seit Jahren ungeachtet internationaler Kritik um und setzt Richter damit unter Druck. Die EU-Kommission klagte mehrfach gegen die Reformen; zum Teil wurden sie vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) gekippt. In diesem Fall bat die Zivilkammer des Obersten Gerichts den Gerichtshof um Auslegung.

Hintergrund des Urteils ist der Fall des regierungskritischen Krakauer Bezirksrichters Waldemar Żurek, der vor dem Obersten Gericht seine Versetzung innerhalb des Bezirksgerichts beanstandet. Die EuGH-Richter stellten nun zum einen fest, dass eine nicht einvernehmliche Versetzung von Richtern die Grundsätze der Unabsetzbarkeit von Richtern und die richterliche Unabhängigkeit verletzen könne. Durch derlei Versetzungen könnte demnach der Inhalt gerichtlicher Entscheidungen kontrolliert werden.

Zum anderen äußert sich der EuGH zur Ernennung eines Richters, der in der Kammer für außerordentliche Überprüfung und öffentliche Angelegenheiten am Obersten Gericht Żureks Rechtsbehelf abgelehnt hatte. Der Richter sei durch den polnischen Präsidenten Andrzej Duda 2019 ernannt worden - und zwar seien dabei die Grundregeln des Verfahrens für die Ernennung von Richtern am Obersten Gericht offensichtlich missachtet worden. Sollte das polnische Gericht der EuGH-Einschätzung folgen, sei auszuschließen, dass der fragliche Richter ein unabhängiges, unparteiisches und zuvor durch Gesetz errichtetes Gericht darstellen könne. In diesem Fall müsse seine Entscheidung, Żureks Rechtsbehelf abzulehnen, als nicht existent angesehen werden.

Żurek, der Mitglied und Sprecher des früheren polnischen Landesjustizrats war, hatte die Justizreformen in Polen öffentlich kritisiert und war daraufhin degradiert worden. Rechtsbehelfe vor dem polnischen Obersten Gericht wurden von der befassten Zivilkammer als unzulässig verworfen.

Am Donnerstag könnte der Streit zwischen Polen und EU weitergehen

Der Fall ist ein weiterer in einer ganzen Reihe von Auseinandersetzungen zwischen der EU und der polnischen Regierung über die dortigen Justizreformen. Zuletzt hatte Polen sich über eine EuGH-Anordnung hinweggesetzt, wonach eine neu geschaffene Disziplinarkammer zur Bestrafung von Richtern ihre Arbeit aussetzen sollte, weil ihre Unabhängigkeit nicht gesichert sei. Die EU-Kommission beantragte deshalb Anfang September finanzielle Sanktionen beim EuGH gegen Warschau - eine Entscheidung darüber steht noch aus.

Ebenso steht ein Urteil des polnischen Verfassungsgerichts aus, das klären soll, ob EU-Recht über polnischem Verfassungsrecht steht. Das Verfahren soll am kommenden Donnerstag fortgesetzt werden. Eine Entscheidung, die den Vorrang des europäischen Rechts grundsätzlich in Frage stellen würde, dürfte den Konflikt zwischen der EU-Kommission und der Regierung in Warschau weiter eskalieren.

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