EU:Von der Leyen setzt auf Risiko

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Kurz vor der Abstimmung über die Kommissionsspitze kündigt die Verteidigungsministerin ihren Rücktritt in Berlin an. Den EU-Abgeordneten in Straßburg verspricht sie mehr Macht.

Von Daniel Brössler, Matthias Kolb und Alexander Mühlauer, Berlin/Brüssel

Vor der Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin an diesem Dienstag hat Ursula von der Leyen ihren Rücktritt als Bundesverteidigungsministerin angekündigt. "Unabhängig vom Ausgang" der Abstimmung werde sie ihr Amt am Mittwoch niederlegen, schrieb die CDU-Politikerin am Montag beim Kurzmitteilungsdienst Twitter. Sie wolle ihre "volle Kraft in den Dienst von Europa stellen", erklärte sie. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte von der Leyens Schritt. Dieser zeige, dass die Ministerin sich für eine "neue Etappe ihres Lebens" entschieden habe und mit ganzer Kraft und Verve für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten eintreten wolle, sagte Merkel.

In Berlin hatte die Opposition von der Leyen davor gewarnt, nach einer Niederlage am Amt der Verteidigungsministerin festzuhalten. Im Falle einer Rückkehr nach Berlin hätte sich von der Leyen nach den Worten der Vize-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Agnieszka Brugger, "heftigen Enthüllungen aus dem Untersuchungsausschuss zur Berateraffäre zu stellen" gehabt. Als möglich gilt, dass von der Leyen im Fall einer Niederlage bei der Wahl am Dienstag als deutsche EU-Kommissarin nach Brüssel geschickt werden könnte.

Bis zuletzt war offen, ob von der Leyen die nötige absolute Mehrheit bei der Abstimmung erreicht. Im Kampf um die Stimmen von Sozialdemokraten und Liberalen versprach sie mehr Macht für das Europäische Parlament. Die für die Spitze der EU-Kommission nominierte Kandidatin will sich dafür einsetzen, den Abgeordneten das lange geforderte Initiativrecht zu geben, sodass diese selbst Gesetze einbringen können. Dies sicherte sie den Vorsitzenden der sozialdemokratischen und liberalen Fraktionen am Montag in mehrseitigen Briefen zu.

Von der Leyen sprach sich auch für deutlich schärfere Klimaziele aus. So sollen die europäischen Kohlendioxid-Emissionen bis 2030 "um mindestens 50 Prozent" im Vergleich zu 1990 sinken. Idealerweise solle mit 55 Prozent Minderung jener Wert erreicht werden, den das EU-Parlament im März gefordert hatte. Damals hatte eine Mehrheit der EVP-Abgeordneten dagegen gestimmt. Von der Leyen plädierte auch für Mindestlöhne in jedem EU-Staat sowie für die Einführung einer europäischen Arbeitslosenrückversicherung. Damit soll EU-Staaten geholfen werden, soziale Härten im Fall von wirtschaftlichen Schocks abzufedern.

Die Kandidatin, die Anfang Juli überraschend von den Staats- und Regierungschefs der EU für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker nominiert worden war, präzisierte in den Schreiben ihre Prioritäten für die kommenden fünf Jahre, sollte sie die nötige Mehrheit von 374 der 747 Abgeordnetenstimmen erhalten. Bisher kann von der Leyen vor allem auf die Unterstützung der EVP zählen, die 182 Mandate hat. Nach ihren Treffen mit den Fraktionen von Sozialdemokraten und dem liberalen Bündnis Renew Europe in der vergangenen Woche hatten diese konkretere Aussagen verlangt, die von der Leyen in ihren Briefen vorlegte.

© SZ vom 16.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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