EU-Kommission:Wenn die EU führen will, muss sie sich militärisch wappnen

European Commission President-elect von der Leyen adjusts her earphones at the European Parliament in Strasbourg

Die neue Kommissionspräsidentin nimmt eine Schlüsselposition in den kommenden Jahren ein.

(Foto: REUTERS)

Ursula von der Leyen hat erkannt, dass eine starke europäische Führung mehr denn je notwendig ist, etwa beim Klimaschutz. Doch dazu muss die neue Kommissionspräsidentin der EU erst neues Selbstvertrauen einhauchen.

Kommentar von Stefan Ulrich

Ursula von der Leyen ist bei ihrer Bewerbungsrede für das Amt der Kommissionspräsidentin in die Vollen gegangen: "Die Welt braucht unsere Führung mehr denn je", appellierte sie an die Abgeordneten des Europaparlaments. Das sind kühne Worte angesichts einer EU, die Großbritannien verliert, zwischen Nord und Süd, Ost und West zerstritten ist und deren deutsch-französisches Führungsduo mehr streitet als voranschreitet. Dennoch tut die CDU-Politikerin gut daran, Selbstbewusstsein und Ehrgeiz der Europäer anzustacheln. Denn Europas Führung ist tatsächlich nötig, und das vor allem auf zwei Gebieten.

Beim Klimaschutz argumentieren die Skeptiker damit, Deutschland und Europa könnten wenig ausrichten gegen sich rasant entwickelnde Riesen wie China und Indien. Also könne man es gleich bleiben lassen. Ein Killerargument, es verkennt, dass immer irgendeiner anfangen muss, damit andere nachziehen.

Und wer wäre dazu geeigneter als Europa mit seinem Reichtum, seinen technischen Fertigkeiten und seinen recht aufgeschlossenen Menschen. Bereits 40 Prozent der EU-Bürger wünschen einer aktuellen Studie zufolge, dass die neue Kommission den Klimaschutz zu ihrem Top-Thema macht. Das ist eine gute Basis, um Europa bis spätestens 2050 zum ersten klimaneutralen Großraum umzugestalten.

Das zweite Gebiet, auf dem Europas Führung nötig wäre, ist der Multilateralismus, also die enge, friedliche, kompromissorientierte Zusammenarbeit der Staaten bei der Lösung ihrer Probleme. Die EU selbst ist seit Jahrzehnten das Beispiel dafür, wie gut Multilateralismus funktionieren kann. Und das Europa vor den beiden Weltkriegen bietet das Gegenbeispiel, wie verheerend sich der Wettstreit nationalistischer Staaten auswirkt.

Viele suchen in den Nationalstaaten die Sicherheit, die die EU nicht bietet

Doch was, wenn sich andere Länder nicht darum scheren? Wenn die Trumps, Putins und Xis fortfahren, Europa zu spalten und zu schwächen, um ihre Lust am autoritären Nationalismus auszutoben? Darauf hat die EU noch keine Antwort. Ihre wirtschaftliche Macht wird nicht ausreichen, um die Vernichter der multilateralen Ordnung zu stoppen.

Von der Leyen spricht daher einen Punkt an, der vor allem in Deutschland Unbehagen erregt: die Frage der Macht, auch militärischer Macht. Das neoaggressive Russland und das auftrumpfende China zwingen zu einer Antwort darauf. Und Donald Trump, der als US-Präsident wiedergewählt werden und dann die Nato endgültig abschreiben könnte. Es muss nicht so kommen, aber es wäre klug, wenn sich Europa darauf vorbereitet - durch die Stärkung der europäischen Verteidigung, bis auf Weiteres in Ergänzung zur Nato, und durch eine gemeinsame Rüstungspolitik.

Doch einfach wird es nicht für Ursula von der Leyen und die neue Kommission, ihre Vorstellungen durchzusetzen und die EU so zu kräftigen. Dem stehen Verzagtheit und Furcht vieler Europäer entgegen. Die einen wollen sich, aus Angst vor der Globalisierung und der Einwanderung ihnen fremder Menschen, lieber in ihren Nationalstaaten einigeln als mehr Europa wagen. Andere liebäugeln damit, sich Großmächten wie Russland oder China anzubiedern, nicht zuletzt um wirtschaftlicher Vorteile willen. Wichtigste Aufgabe der Kommission wird es daher sein, in den Europäern wieder Gemeinschaftsgeist und Selbstvertrauen zu entfachen. Die neue Kommissionspräsidentin scheint bereit zu sein, das anzupacken.

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