EU-Vertragsänderung vorerst gescheitert:Euro-Gruppe wird zur Fiskalunion

Die 17 Euro-Länder und bisher sechs weitere EU-Staaten wollen der Währungskrise mit einem eigenen Vertrag entgegenwirken. Dazu gehören eine Schuldengrenze und automatische Sanktionen für Haushaltssünder. Eine gemeinsame Lösung aller EU-Staaten ist in der Nacht am Widerstand der Briten gescheitert: Premier Cameron habe "inakzeptable" Forderungen gestellt.

Die Euro-Gruppe und vorerst sechs weitere EU-Staaten geben sich einen neuen Vertrag zur Gründung einer Fiskalunion. Schuldenbremsen und automatische Sanktionen sollen darin ein solides Haushalten garantieren, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitagmorgen zum Abschluss eines dramatischen Verhandlungsmarathons in Brüssel bekanntgab.

"Die 17 Staaten der Euro-Gruppe müssen Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Und ich glaube, mit den heutigen Beschlüssen kann und wird das gelingen", sagte die Kanzlerin. Die neue Fiskalunion solle "zugleich auch eine Stabilitätsunion" sein. Dazu gehöre eine Schuldengrenze und automatische Sanktionen für Haushaltssünder. Der neue Vertrag solle bis März ausgehandelt sein, erklärte der französische Staatschef Nicolas Sarkozy.

Die Verhandlungen mit Großbritannien über Vertragsänderungen aller 27 EU-Staaten waren zuvor krachend gescheitert. Die Bedingungen von Premierminister David Cameron seien "inakzeptabel" gewesen, sagte Sarkozy. Der Brite hatte darauf bestanden, im Gegenzug für seine Zustimmung zu Vertragsänderungen selbst Vorteile für die britische Finanzbranche herauszuschlagen.

Premierminister Cameron rechtfertigte sein Nein zu einer EU-Vertragsänderung als "harte, aber gute Entscheidung". "Wenn wir keine Schutzklauseln bekommen, ist es besser, draußen zu bleiben", sagte er nach den nächtlichen Beratungen.

Nicht nur Deutsche und Franzosen waren über die unbeugsame Haltung der Briten verärgert, hieß es aus mehreren Delegationen auch von Nicht-Euro-Staaten. Großbritannien hatte das Krisenmanagement der Euro-Länder in den vergangenen Monaten wiederholt kritisiert, der eskalierte Streit um die Vertragsänderung könnte nun zu weiteren Spannungen führen. Neben Großbritannien lehnt auch Ungarn eine Beteiligung ab. Schweden und Tschechien müssen noch ein Mandat zu Hause einholen.

Europa der zwei Geschwindigkeiten

Das Scheitern der gemeinsamen Lösung ist ein schwerer Rückschlag für die gesamte EU, die sich nun in zwei Geschwindigkeiten bewegen wird: Die Euro-Staaten und die bislang sechs Länder, die dazugehören wollen, werden ihre Wirtschaften enger verzahnen. Die übrigen Länder bleiben außen vor.

Die Spaltung wird auch die von Merkel angestrebte stabile vertragliche Basis für die schärferen Haushaltsregeln schwächen. Denn ohne Zustimmung aller 27 EU-Staaten kann das Gemeinschaftsrecht und die Kompetenz der EU-Kommission nur auf Umwegen gestärkt werden. Und das sei "nicht die rechtlich sauberste Lösung", wie in Delegationskreisen eingeräumt wurde. "Natürlich wäre es uns lieber gewesen, wenn wir uns einstimmig hätten einigen können", sagte EU-Kommissionschef José Manuel Barroso.

Zur Gipfel-Einigung gehört auch, dass der dauerhafte Rettungsschirm ESM um ein Jahr auf Mitte 2012 vorgezogen werden soll. Die Obergrenze des Kreditvolumens soll auf 500 Milliarden Euro beschränkt bleiben. Allerdings wird diese Obergrenze im Juli 2012 überprüft.

Zudem soll der IWF mit bilateralen Krediten um bis zu 200 Milliarden Euro aufgestockt werden, um sich stärker an der Rettung von Euro-Krisenstaaten zu beteiligen. 150 Milliarden Euro sollen dabei von Euro-Ländern kommen. Die Einführung von Euro-Bonds wurde verworfen.

Sowohl EU-Kommissionspräsident Barroso als auch EU-Ratspräsident Van Rompuy verteidigten die Fortsetzung der Gespräche auf Ebene der 17 Euro-Staaten und weiterer Interessenten. Van Rompuy erklärte, der jetzt geplante zwischenstaatliche Vertrag könne viel schneller umgesetzt werden, als dies bei einer vollen Vertragsänderung der Fall gewesen wäre. Barroso sagte, der Schlüssel zum Erfolg sei "jetzt die Umsetzung. Und ich hoffe, dass diese Maßnahmen schnell umgesetzt werden." Im Kern geht es um schärfere Haushaltsregeln.

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