Süddeutsche Zeitung

EU:"Vereint durch dick und dünn"

Beim Sondergipfel in Rumänien werden Differenzen zu kaschieren sein.

Von Alexander Mühlauer, Sibiu

Wenn die Staats- und Regierungschefs an diesem Donnerstag zum EU-Sondergipfel nach Sibiu (Hermannstadt) kommen, wollen sie vor allem eines demonstrieren: Einigkeit. Doch zwei Wochen vor den Europawahlen kann das nicht mehr sein als ein hehrer Wunsch. Zu unterschiedlich sind die Interessen der einzelnen EU-Staaten, zu unterschiedlich ihre Pläne für die Zukunft Europas. Und so finden sich im Entwurf der Gipfelerklärung vor allem Sätze, die sonst eher in Poesiealben stehen: "Wir bleiben vereint, durch dick und dünn." Und: "Wir werden immer nach gemeinsamen Lösungen suchen."

Immerhin ein konkretes Thema gibt es, bei dem sich alle einig sind: der Brexit. "Alle sind erleichtert, dass sie sich in Rumänien nicht mit den EU-Austrittsverhandlungen beschäftigen müssen", sagt ein hochrangiger EU-Beamter. Die Chancen stehen gut, dass dies gelingt. So wird die britische Premierministerin Theresa May gar nicht erst nach Sibiu reisen. Die EU der 27 ist also unter sich und will die Eckpfeiler der sogenannten "Strategischen Agenda 2019 - 2024" diskutieren. Zu diesem Zweck hat EU-Ratspräsident Donald Tusk ein Papier vorbereitet, das aber lediglich aus einer Aufzählung von Stichworten besteht. Da ist von einem "effektiven Schutz unserer Außengrenzen" die Rede, von einer "Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion" und von der "globalen Führungsrolle" der EU im Kampf gegen den Klimawandel.

Acht Mitgliedstaaten wollen in Sibiu darauf dringen, dass die Wirtschaft in der Europäischen Union bis zum Jahr 2050 klimaneutral wird. Um das zu unterstützen, soll mindestens ein Viertel der Gesamtausgaben im nächsten EU-Haushaltsrahmen der Jahre 2021 bis 2027 für umweltfreundliche Projekte verwendet werden. Frankreich, Belgien, Dänemark, Luxemburg, Portugal, Spanien, Schweden und die Niederlande wollen in Sibiu den Druck auf die anderen EU-Staaten erhöhen. Wie ambitioniert die Europäische Union in Klimafragen tatsächlich ist, dürfte sich allerdings erst beim EU-Gipfel im Juni zeigen - dann sollen die Prioritäten für die kommenden fünf Jahre festgezurrt werden.

Die großen Personalfragen in Brüssel werden noch schwieriger zu lösen sein

Ob sich bis dahin auch entscheidet, wer die Spitzenjobs in den europäischen Institutionen bekommen wird, ist völlig offen. EU-Ratspräsident Tusk will in Sibiu jedenfalls sein Drehbuch für die Nominierungen vorstellen. Nach den Europawahlen vom 23. bis 26. Mai wird nicht nur ein neuer EU-Kommissionspräsident gesucht, sondern auch ein neuer Rats- und Parlamentspräsident sowie der nächste Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Dem Vernehmen nach will Tusk die Staats- und Regierungschefs zwei Tage nach dem Wahlsonntag nach Brüssel zu einem Arbeitsessen einladen. Bis dahin dürften Allianzen geschmiedet sein und Namenslisten auf dem Tisch liegen. Doch angesichts des unberechenbaren Wahlausgangs dürfte die Personalsuche diesmal noch schwieriger werden als vor fünf Jahren. Damals brauchte es drei Gipfeltreffen und drei Monate Zeit, um zu einer Entscheidung zu kommen.

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SZ vom 09.05.2019
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