Ungarn verlangt weitere Änderungen an dem neuen EU-Sanktionspaket gegen Russland und blockiert damit erneut dessen Inkrafttreten. Konkret fordert das Land, auf die geplanten Strafmaßnahmen gegen das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kirill zu verzichten, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochabend bestätigten.
Plan der EU war es eigentlich gewesen, das Beschlussverfahren für das sechste Sanktionspaket am Mittwoch endlich auf den Weg zu bringen. Zuvor war in der Nacht zum Dienstag nach wochenlangem Streit bei einem Gipfeltreffen eine Einigung im Streit über das ebenfalls geplante Öl-Embargo erzielt worden. Ungarn setzte dabei durch, das Öllieferungen per Pipeline zunächst von dem Einfuhrstopp ausgenommen werden.
Patriarch Kirill soll nach dem Willen der anderen EU-Staaten wegen seiner Unterstützung für den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf die Sanktionsliste der EU kommen. Kirill pflegt engen Kontakt zu Präsident Wladimir Putin und zeigte sich bislang sehr kremltreu. Der 75-Jährige stellte sich in seinen Predigten immer wieder hinter den Kriegskurs und behauptete zuletzt sogar, dass Russland noch nie ein anderes Land angegriffen habe. Das katholische Kirchenoberhaupt Papst Franziskus sagte zuletzt ein geplantes Treffen mit Kirill ab.
Es geht um Schritte gegen Patriarch Kirill. Orbán nannte diese Frage wichtiger als die des Erdöls
Konkret würden Sanktionen gegen Kirill bedeuten, dass der Geistliche nicht mehr in die EU einreisen darf. Zudem müssten möglicherweise von ihm in der EU vorhandene Vermögenswerte eingefroren werden. Beim EU-Gipfel am Montag und Dienstag waren die geplanten Sanktionen gegen Kirill nach Angaben von Diplomaten nicht thematisiert worden.
Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hatte allerdings bereits Anfang Mai in einem Rundfunk-Interview seine Ablehnung zum Ausdruck gebracht. "Ungarn wird seine Zustimmung nicht dazu geben, dass man mit Kirchenführern auf eine solche Weise umgeht", sagte er damals. "Aus prinzipiellen Gründen ist das eine noch wichtigere Angelegenheit als das Öl-Embargo." In Ungarn gibt es nach EU-Zahlen kaum Anhänger der russisch-orthodoxen Kirche. Die große Mehrheit der Gläubigen ist demnach katholisch.
Wie der Streit gelöst werden könnte, war am Mittwochabend zunächst unklar. Nach Angaben von Diplomaten könnte es an diesem Donnerstag am Rande eines EU-Ministertreffens in Luxemburg weitere Gespräche und einen neuen Einigungsversuch geben.