Süddeutsche Zeitung

EU-Türkei-Deal:Daran könnte der EU-Türkei-Flüchtlingspakt scheitern

  • Der zuständige Ausschuss im Europaparlament will sich vorerst nicht über die geplanten Visaerleichterungen für die Türkei beraten.
  • Der Grund dafür liegt in Ankara: Staatspräsident Erdoğan weigert sich, die umstrittenen türkischen Anti-Terror-Gesetze zu reformieren.
  • Somit sind wichtige Voraussetzungen für den Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei nicht erfüllt.

Die von der Türkei gewünschte Visafreiheit kann es nach Ansicht des Europaparlaments nur geben, wenn Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan zuvor die umstrittenen Anti-Terrorgesetze seines Landes ändern lässt. Weil dieser eine solche Reform ablehnt, hat der zuständige EU-Parlamentsausschuss für bürgerliche Freiheiten und Justiz sich geweigert, das Thema rasch zu beraten und sich damit einem ausdrücklichen Wunsch der EU-Kommission widersetzt.

Man werde sich erst dann damit befassen, wenn die Türkei alle 72 Vorbedingungen für eine visumfreie Einreise erfüllt habe, sagte der Vorsitzende der Liberalen-Fraktion, Guy Verhofstadt. "Und dazu gehören auch die Anti-Terrorgesetze." Erdoğan hatte erst am Montag erneut die EU-Forderungen nach einer Änderung der Anti-Terrorgesetze zurückgewiesen.

Eine wichtige Voraussetzung des Deals ist nicht erfüllt

Die Einreise ohne Visum für Türken in die EU ist eine wichtige Voraussetzung für den Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei. Diese Vereinbarung sieht unter anderem die Rücknahme von illegal nach Griechenland eingereisten Flüchtlingen vor. Sie war vom scheidenden Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu mit der EU ausgehandelt worden.

Wie die Liberalen beharrten auch Vertreter anderer Fraktionen darauf, dass Ankara erst seinen Teil der Abmachung erfüllen muss, bevor es Visaerleichterungen geben kann. "Es wird keine Beratungen über die Visaliberalisierung geben, bevor nicht die 72 Punkte erledigt sind", betonte etwa der Vorsitzende der Fraktion der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber. "Damit fordern wir nicht mehr als im Flüchtlingspakt vereinbart wurde. Die Erwartungshaltung ist jetzt, dass auch Erdogan klarstellen muss, dass er vollumfänglich zu dieser Vereinbarung steht."

Liberale pochen auf Grenzschutz - Grüne fordern Bereitschaft zur Aufnahme

Verhofstadt stellte die Sinnhaftigkeit des Abkommens mit der Türkei grundsätzlich infrage. "Statt zu versuchen, diesen Deal mit der Türkei ans Funktionieren zu bringen, sollten wir lieber dafür sorgen, dass wir bis Ende Juni einen europäischen Grenzschutz aufgestellt haben", sagte der Liberale. "Die einzige Möglichkeit, das Flüchtlingsproblem zu lösen, liegt darin, dass wir selbst unsere Hausaufgaben machen."

Dieser Grenzschutz müsse auch dann eingesetzt werden können, sagte Verhofstadt, wenn nicht alle Mitgliedsstaaten damit einverstanden seien. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verteilung von Asylsuchenden auf andere EU-Staaten habe nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn auch ein europäischer Rückführungsmechanismus für abgelehnte Asylbewerber geschaffen werde.

Die Co-Vorsitzende der Grünen-Fraktion betonte indes wie wichtig die dauerhafte Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen sei. Rebecca Harms forderte eine "großzügige europäische Quote" für die Ansiedlung von Flüchtlingen. Anders könne Schleppern nicht das Handwerk gelegt werden.

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