EU-Sondergipfel:Überfälliges Signal der Unterstützung

Die von der Europäischen Union beschlossenen Sanktionen gegen Belarus aufgrund von Wahlfälschung sind kein Allheilmittel, aber sie sind wichtig und richtig.

Von Matthias Kolb

Endlich ist es geschafft, die täglich wachsende Peinlichkeit für die Europäische Union korrigiert. 40 belarussische Regierungsbeamte werden bestraft, weil sie am 9. August an den massiven Fälschungen bei der Präsidentschaftswahl zugunsten des Machthabers Alexander Lukaschenko beteiligt waren. Seit Freitag ist ihr Vermögen gesperrt, zudem dürfen sie nicht mehr in die EU einreisen.

Lukaschenkos Name steht noch nicht auf der Liste, um die Chance auf eine Vermittlungslösung zu wahren. Der Entzug von Akkreditierungen für unabhängige Journalisten in Belarus zeigt, dass Sanktionen kein Allheilmittel sind, aber sie sind trotzdem richtig und wichtig. Diese Strafen sind keine Einmischung von außen, sondern ein Signal der Unterstützung für die friedliche Demokratiebewegung. Wenn in einem Nachbarstaat fundamentale Werte verletzt werden, dann ist die EU gefordert, diese klar zu verurteilen - und zwar schnell. Hier haben die 27 Mitgliedstaaten versagt. Es war beschämend, dass die Sanktionen erst nach knapp zwei Monaten beschlossen werden konnten, weil Zypern sie lange blockiert hatte.

Es wäre aber falsch, die Schuld an diesem Glaubwürdigkeitsproblem der EU nur Zypern zu geben. Natürlich ist es ein Unding, zwei Dossiers zu verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben. Aber Zypern gehört wie Griechenland der EU an und muss sich darauf verlassen können, dass die anderen Mitglieder seine Souveränität verteidigen, auch wenn diese die Beziehung zur Türkei verbessern wollen. Zypern muss spüren, dass seine Sorgen ernst genommen werden, die es wegen der als illegal eingestuften türkischen Gasbohrungen vor seiner Küste hat. Beim Brexit, der am härtesten Irland trifft, beweist es die EU bis heute: Man kämpft auch für die Interessen der kleinen Mitglieder.

Die "Geiselnahme" der Belarus-Sanktionen zeigt aber, dass Zypern lange nicht das Gefühl hatte, sich auf die anderen verlassen zu können. Es ist nachvollziehbar, dass viele Regierungen 2020 vor allem mit der Bewältigung der Corona-Pandemie beschäftigt waren und zuerst die Klagen und später die Vetodrohungen aus Nikosia nicht so ernst genommen haben.

Dass es zurzeit am Vertrauen unter den EU-Regierungen mangelt, haben die vergangenen Monate gezeigt, in denen offen über Selbstverständlichkeiten wie die Bedeutung des Rechtsstaats gestritten wurde. Auf diesem Gipfel ging man also wieder den EU-typischen Weg: Nach neun Stunden fanden die Staats- und Regierungschefs einen für alle akzeptablen Kompromiss. Man habe sich "zusammengerauft", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Auch sie hatte dem Präsidenten Zyperns klargemacht, dass der Inselstaat trotz seiner Zugehörigkeit zur Familie nicht auf Maximalforderungen bestehen kann.

Bei diesem Gipfel wurden keine weiteren Sanktionen gegen Ankara beschlossen, doch die EU wird spätestens im Dezember wieder über den Umgang mit der Türkei reden. Präsident Recep Tayyip Erdoğan kann nachlesen, worüber er mit Brüssel verhandeln könnte, wenn er verlässlicher agiert und außenpolitische Abenteuer unterlässt. Es gibt berechtigte Zweifel, dass Erdoğan dazu bereit ist - vor allem über längere Zeit hinweg. Aber noch ist es richtig, auf Diplomatie zu setzen. Sollte die Türkei nicht deeskalieren und auf Zypern zugehen, muss die EU handeln und auch Sanktionen verhängen. Sonst würde ihre Glaubwürdigkeit viel stärker beschädigt - nach außen und nach innen.

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