Russland-Sanktionen:Welches Spiel spielt Viktor Orbán?

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Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán bei einem Treffen mit Donald Trump Anfang März vergangenen Jahres in dessen Anwesen in Florida. (Foto: Zoltan Fischer/AFP)

Ende Januar laufen die Sanktionen gegen Putin aus, Ungarns Premier blockiert die Verlängerung. Damit bringt er die EU in höchste Not – obwohl sein Idol Donald Trump Russland gerade selbst Sanktionen angedroht hat.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Ungarns Regierungschef Viktor Orbán beantwortet die Frage, ob die europäischen Sanktionen gegen Russland noch sinnvoll sind, mit einem dreimaligen Nein. Haben sie den Krieg in der Ukraine beendet? Haben sie Russlands Wirtschaft gelähmt? Hat Europa die russische Energie zu vernünftigen Preisen ersetzen können? Dreimal „No“, dreimal verstärkt durch ein rotes Kreuz: So schrieb der Ungar am Dienstag auf der Plattform X, verbunden mit der Forderung, über einen Wechsel in der europäischen Ukraine-Politik zu reden.

Orbán bekommt seinen Willen. Die Außenministerinnen und Außenminister der Europäischen Union werden an diesem Montag bei ihrem Treffen in Brüssel über die Fortsetzung der Sanktionen beraten – wobei die Debatte sehr einseitig verlaufen dürfte. Außer Ungarn sperrt sich kein Land ernsthaft dagegen, die Strafen gegen Russland wieder turnusmäßig um sechs Monate zu verlängern. Aber es braucht Einstimmigkeit, und deshalb kam am Freitag im Kreis der 27 EU-Botschafter kein Beschluss zustande.

Die ganze EU-Strategie im Umgang mit dem Kreml ist in Gefahr

Die Sache ist von höchster Dringlichkeit. Wenn die Sanktionen nicht bis zum 31. Januar, Mitternacht, verlängert werden, laufen sie aus. Nicht nur die strengen Handelsbeschränkungen gegen Russland würden dann nicht mehr gelten, auch die eingefrorenen russischen Vermögenswerte in Höhe von fast 200 Milliarden Euro wären plötzlich wieder für Putin frei. Die ganze EU-Strategie im Umgang mit dem Kreml seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 steht damit auf dem Spiel, zumal die Zinsen aus den eingefrorenen Vermögenswerten für die Ukraine-Hilfe verwendet werden sollen. Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas will die gesamten russischen Assets sogar konfiszieren lassen und hat den Punkt deshalb auf die Tagesordnung der Außenministerinnen und Außenminister setzen lassen.

Viktor Orbán schimpfte diese Woche über die „Scheinheiligkeit“ einer EU-Politik, die billige russische Energie ablehne und damit schweren Schaden für die europäische Wirtschaft in Kauf nehme. Die angeblich elitären, vaterlandslosen „Brüsseler Bürokraten“ mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an der Spitze sind sein großes Feindbild. Deshalb will er nun seine „Operation zur Einnahme von Brüssel“ mit der Hilfe seines Idols Donald Trump fortsetzen. Er meint damit die Machtübernahme durch rechts-nationale Parteien und Regierungen. Aber gerade in der Frage der Sanktionen steht Orbán nun offenbar im Widerspruch zu Trump – obwohl er doch angekündigt hatte, sich am US-Präsidenten zu orientieren.

Trump droht Putin mit „hohen Steuern, Zöllen und Sanktionen“

„Stoppen Sie diesen irrwitzigen Krieg“, schrieb Donald Trump diese Woche auf seiner eigenen Plattform Truth Social an die Adresse von Kreml-Chef Wladimir Putin. Für den Fall, dass Putin nicht einlenkt, drohte er mit „hohen Steuern, Zöllen und Sanktionen“.  Es ist kaum vorstellbar, dass Trump und Orbán eine Doppelstrategie verfolgen, der Widerspruch ist offensichtlich: Warum sollte Europa seine Sanktionen aufheben, wenn die USA mit neuen Sanktionen drohen, um Putin zum Einlenken zu bewegen?

Unter EU-Diplomaten herrschte  immer noch die Erwartung vor, dass Orbán die Sanktionen am Ende nicht zu Fall bringen wird, sondern dass er nur einige „gesichtswahrende Zugeständnisse“ haben will. Orbán selbst äußerte am Freitagnachmittag jedoch  Forderungen, die über Gesichtswahrung hinausgehen. Die Ukraine solle wieder russisches Öl nach Ungarn durchleiten. Ungarns Verluste durch die Sanktionen bezifferte er auf 19 Milliarden Euro. Möglicherweise will er also auch Entschädigungen.

In der EU scheint nun Giorgia Meloni den besten Draht nach Washington zu haben

Mit der Debatte um die Russland-Sanktionen ist zumindest die Frage beantwortet, wer derzeit in der Europäischen Union den besten Draht zu Donald Trump hat und wer am meisten Einfluss auf ihn ausüben kann. Es scheint jedenfalls nicht der Regierungschef in Budapest zu sein, sondern eher die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni. Sie steht für Kontinuität in der EU-Politik. Meloni besuchte Trump vor dessen Amtsantritt in Palm Beach und kehrte zurück mit dem Signal, Trump werde erst einmal keine radikale Wende in der Ukraine-Politik vollziehen.

Es ist keine Rede mehr davon, den Krieg innerhalb eines Tages zu beenden, wie es Trump vor den Wahlen angekündigt hatte. Mittlerweile spricht er von einem halben Jahr. Trump erklärte diese Woche, er wolle Russland nicht wehtun, er liebe das russische Volk und habe immer ein gutes Verhältnis zu Wladimir Putin gehabt. Nun sei es aber an der Zeit, einen „Deal“ zu schließen und den Krieg in der Ukraine zu beenden. „Wir können es auf die einfache oder auf die harte Tour machen.“

Trump äußerte nicht konkret, wie die Strafen aussehen könnten, und ließ auch offen, ob er die milliardenschwere Waffenhilfe für die Ukraine fortsetzen wird, die sein Vorgänger Joe Biden auf den Weg gebracht hat. Aus dem Kreml gibt es nur allgemeine Signale, man sei bereit für Gespräche.

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