Süddeutsche Zeitung

Wirtschaftskrieg:Öl-Embargo gegen Russland

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Das Importverbot der EU soll von Herbst an gelten, Berlin warnt schon jetzt vor steigenden Preisen. Zusätzlich sanktioniert Brüssel den Kirchenführer Kyrill I. und mutmaßliche Kriegsverbrecher.

Von Björn Finke, Matthias Kolb und Paul-Anton Krüger, Brüssel/Berlin

Die Europäische Union will Importe russischen Öls binnen Monaten verbieten, als Teil des sechsten Sanktionspakets. Dies kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg an. Die EU werde "russische Rohöllieferungen innerhalb von sechs Monaten und raffinierte Erzeugnisse bis Ende des Jahres auslaufen lassen", sagte sie. Bereits am Vorabend hatte ihre Behörde die Vorschläge für das Strafpaket an die Mitgliedstaaten geschickt; am Mittwoch berieten die EU-Botschafter darüber. Für Sanktionen ist Einstimmigkeit nötig. EU-Diplomaten schätzen, dass eine Einigung bis Ende der Woche gelingen könnte.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) sagte nach der Kabinettsklausur in Meseberg, Deutschland sei auf ein Embargo vorbereitet. Laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist die Übergangsfrist "ausreichend lang", um Alternativen zu finden. Allerdings führe eine Verknappung beim Öl erst einmal zu höheren Preisen. Tatsächlich zogen die Ölnotierungen am Mittwoch deutlich an. In Deutschland stellt das Embargo vor allem die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt vor Probleme. Sie gehört dem russischen Rosneft-Konzern und verarbeitet bisher russisches Pipeline-Öl. "Wir können natürlich nicht in der Situation garantieren, dass es nicht stockend wird, vor allem regional stocken wird", sagte Habeck. Der Standort solle aber auf jeden Fall erhalten bleiben.

Von der Leyen sagte, dank der Übergangsfristen "maximieren wir den Druck auf Russland und halten gleichzeitig Kollateralschäden für uns und unsere Partner weltweit möglichst gering". Beim Kohle-Embargo, das im April beschlossen wurde, erhielten die Mitgliedstaaten nur vier Monate zur Vorbereitung. Dass es bei Öl sechs oder gut sieben Monate sind, spiegelt die Schwierigkeiten der Umstellung wider. So können Raffinerien nicht ohne Weiteres andere Rohölsorten verarbeiten.

EU-Diplomaten zufolge sollen für Ungarn und die Slowakei noch großzügigere Ausnahmen gelten: Die zwei Länder haben demnach bis Ende 2023 Zeit. Beide Staaten hängen beim Öl nahezu komplett von der russischen Druschba-Pipeline ab und haben keine Seehäfen, um Öl von anderen Förderländern anlanden zu können. Der slowakische Wirtschaftsminister Richard Sulík sprach sich am Mittwoch sogar für eine dreijährige Übergangsphase aus. Tschechiens Ministerpräsident Petr Fiala verlangte ebenfalls einen Aufschub um zwei bis drei Jahre.

"Wir wissen, wer Sie sind", sagt von der Leyen in Richtung der Kriegsverbrecher

Wie sehr das Embargo den russischen Präsidenten Wladimir Putin trifft, hängt davon ab, ob er wegfallende Mengen woanders verkaufen kann - zu einem höheren Preis, schließlich lässt das Embargo die Notierungen steigen. Um dieses Risiko zu verkleinern, erschwert das Sanktionspaket den Öltransport per Schiff. Nach Angaben von Diplomaten soll es EU-Reedereien verboten werden, russische Ölprodukte zu verschiffen. Außerdem sollen Versicherungen solcher Transporte verboten werden. Derzeit finden nach Schätzungen westlicher Diplomaten pro Tag drei Millionen Barrel russischen Öls keine Abnehmer mehr.

Das Paket nimmt auch andere Branchen ins Visier. So will die EU die Sberbank, das größte russische Geldhaus, und zwei weitere Finanzinstitute vom globalen Überweisungssystem Swift abkoppeln. Damit sind davon nun zehn Banken betroffen. Drei weitere russische Staatssender sollen ihre Sendelizenz in der EU verlieren, und Wirtschaftsprüfer und Lobbyisten sollen nicht länger für russische Kunden arbeiten dürfen.

Zudem verhängt die EU Einreiseverbote und Vermögenssperren gegen weitere Funktionäre. Dazu gehören der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. sowie hochrangige Offiziere, die für mutmaßliche Kriegsverbrechen in Butscha und Mariupol verantwortlich sind. Dies sende ein "eindeutiges Signal" an "alle Kriegsknechte des Kreml", sagte von der Leyen: "Wir wissen, wer Sie sind, und Sie werden zur Verantwortung gezogen."

Die Bundesregierung kündigte Gesetzesänderungen an, um EU-Sanktionen wirkungsvoller durchsetzen zu können. Wie Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) in Meseberg sagte, sollen natürliche und juristische Personen, die von Strafmaßnahmen betroffen sind, verpflichtet werden, ihre Vermögensverhältnisse offenzulegen. Verstöße sollen mit Bußgeldern und möglicherweise auch härteren strafrechtlichen Mitteln geahndet werden. Einen entsprechenden Gesetzentwurf wolle die Ampelkoalition schon kommende Woche auf den Weg bringen. Noch vor der Sommerpause soll laut Bundeskanzler Scholz auch ein Gesetz beschlossen werden, um die Genehmigung von Flüssiggasterminals deutlich zu verkürzen. Die Anforderungen sollten auf das Minimum in der EU reduziert werden, sagte Habeck. Mit verflüssigtem Erdgas will Deutschland die Abhängigkeit von russischem Gas beenden, das durch Pipelines geliefert wird.

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