In der Europäischen Union soll es künftig deutlich schärfere Rauchverbote geben. Die neuen Regeln zielen vor allem auf das Rauchen außerhalb geschlossener Räume ab, auch in Biergärten beispielsweise. Eine entsprechende „Empfehlung“ der EU-Kommission nahmen am Dienstag die 27 Regierungen an, wobei Deutschland sich der Stimme enthielt. Ob und wie die Empfehlung umgesetzt wird, liegt allerdings allein in der Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.
Die deutsche Enthaltung zeigt, welch politische Brisanz das Thema Rauchverbote hat. Vergangene Woche hatte es schon empörte Reaktionen in Deutschland gegeben, als sich das Europaparlament mit einer – für die Gesetzgebung völlig irrelevanten – Resolution zu diesem Thema befasst hatte. Die Schlagzeilen handelten von Überregulierung und Bevormundung durch die EU, am Ende fand die Resolution wegen des Widerstands der Europäischen Volkspartei (EVP) keine Mehrheit.
Auch die Empfehlung der Kommission hat keinerlei bindende Wirkung für die Regierungen, es handelt sich dabei um einen unverbindlichen Rechtsakt, der den Regierungen lediglich Orientierung bieten soll. Die Kompetenz für die Gesundheitspolitik liegt bei den Mitgliedstaaten. Allerdings drückt die Abstimmung am Dienstag doch einen deutlichen Mehrheitswillen aus.
Aktives und passives Rauchen ist laut EU-Zahlen die häufigste Krebsursache
Die neue Empfehlung ist Teil des Kampfes gegen den Krebs, dem sich die Europäische Union verschrieben hat. Das aktive und passive Rauchen ist laut den Zahlen der EU für 27 Prozent aller Krebserkrankungen verantwortlich und damit die häufigste Ursache. Nach Angaben der EU-Kommission sterben in der EU jedes Jahr 700 000 Menschen wegen Tabakkonsums, Zehntausende davon wegen Passivrauchens. „Es ist das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in der EU“, sagt der neue Gesundheitskommissar Olivér Várhelyi aus Ungarn. Deshalb hat sich die EU vorgenommen, bis zum Jahr 2040 für eine „Generation Rauchfrei“ in Europa zu sorgen, das heißt: Es sollen nur noch maximal fünf Prozent der Europäerinnen und Europäer rauchen. Bislang sind es rund ein Viertel.
„Rauch- und aerosolfreie Umgebungen“ zum Schutz von Nichtrauchern – vor allem Kindern, Jugendlichen, Kranken – sind das offizielle Ziel der Empfehlung, die auf Basis neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ein entsprechendes Papier aus dem Jahr 2009 ersetzt. Erstmals werden darin „neuartige Erzeugnisse, die Rauch oder Aerosole emittieren, wie zum Beispiel erhitzte Tabakerzeugnisse, nikotinhaltige oder nikotinfreie elektronische Zigaretten, Tabakersatzstoffe und alle anderen Rauch und/oder Aerosole emittierenden Erzeugnisse“ als schädlich benannt.
Ausführlich zählt das EU-Papier die Außenbereiche auf, in denen die Staaten künftig für Schutz vor Tabakrauch und Aerosolen sorgen sollen. Es geht um Krankenhäuser, Gesundheitszentren, Pflegeheime, um öffentliche Spielplätze, Freizeitparks, Schwimmbäder, Strände, Zoos, um die Haltestellen von Bussen und Bahnen, um Restaurants, Bars, Cafés, um Freiluftbühnen und etliche andere öffentliche Räume.
Kritik an der Empfehlung äußert der CDU-Politiker Peter Liese, Gesundheitsexperte der EVP im Europaparlament. Zwar stehe die schädliche Wirkung des Rauchens und auch Passivrauchens außer Frage, sagt Liese. Allerdings sei das Risiko im Freien deutlich geringer, weshalb Liese die Forderung nach einem Rauchverbot in der Außengastronomie für überzogen hält. Abwegig sei es zudem, den Dampf von E-Zigaretten in seiner schädlichen Wirkung außerhalb geschlossener Räume mit dem Tabakrauch gleichzusetzen. E-Zigaretten könnten vielmehr schweren Rauchern helfen, von der Zigarette wegzukommen und ihr Gesundheitsrisiko damit stark zu reduzieren.