Süddeutsche Zeitung

EU-Politik:Macron fordert eine starke EU - und greift Trump an

  • Bei seiner Rede auf dem Jahrestreffen der französischen Botschafter in Paris gab sich Macron als Kämpfer für ein starkes Europa.
  • Angesichts der Krise im Verhältnis zu den USA betonte Frankreichs Präsident die Notwendigkeit einer starken EU.
  • Die Opposition setzt auf einen Anti-Macron-Kurs. Die Linken werfen Macron vor, sich in europapolitischen Fragen Deutschland unterzuordnen.

Von Nadia Pantel, Paris

Nach drei eher stillen Wochen am Mittelmeer meldete sich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aus dem Urlaub zurück, und man kann sagen: Er ist ganz der Alte. Am Sonntag hatte er es seinem Premierminister Édouard Philippe überlassen, die unbequeme Nachricht weiterer Kürzungen der Sozialausgaben zu überbringen. Die Inflation steigt, Rente, Kinder- und Wohngeld aber nicht. Und während am Montag im Frühstücksfernsehen zornige Senioren eingeblendet wurden, holte Macron zum großen außenpolitischen Wurf aus. Es ist genau die Arbeitsteilung, die der Präsident von Anfang an zum Grundsatz seiner Politik erklärt hatte: Die Regierung kümmert sich um die konkrete Umsetzung seines Programms, er hält sich aus dem Alltagsgeschäft heraus und gibt die großen Linien vor.

In seiner Rede auf dem Jahrestreffen der französischen Botschafter in Paris gab sich Macron als Kämpfer für ein starkes Europa, Frieden in Syrien und globale Richtlinien zum Umweltschutz. Also genau die Themen, mit denen Macron bislang im In- und Ausland zuverlässig auf Zustimmung stößt. Frankreichs Präsident bekannte sich in seiner Rede zum Prinzip des Multilateralismus und zu einer weiteren Vertiefung der Europäischen Union. Zugleich stellte er fest, dass genau diese Ideen zunehmend unpopulär werden. "Der Multilateralismus wird von zentralen Akteuren infrage gestellt. Müssen wir deshalb die Waffen strecken? Nein." Er ließ keinen Zweifel daran, dass es sich bei diesen "zentralen Akteuren" um den US-Präsidenten Donald Trump handelt.

Macron betont die Notwendigkeit einer starken EU

Angesichts der Krise im Verhältnis zu den USA betonte Frankreichs Präsident die Notwendigkeit einer starken EU: "Glauben China und die USA, dass Europa ebenso mächtig ist wie sie? Das ist nicht der Fall. Um uns dieser Herausforderung zu stellen, müssen wir innerhalb der Globalisierung ein humanistisches Europa neu gründen." Als eines der Ideale, für die Europa und Frankreich stünden, nannte der Präsident die Gleichheit zwischen den Geschlechtern, für die weiter gekämpft werden müsse. Verteidigungspolitische Fragen betreffend sagte Macron, dass Europa in der Lage sein müsse, seine Sicherheit zu verteidigen. Man könne diese Aufgabe nicht länger den USA überlassen.

Mit Blick auf Syrien warnte der Präsident vor einer "alarmierenden Situation". Das Regime von Baschar al-Assad stehe kurz davor, eine neue humanitäre Krise in der Region Idlib auszulösen. "Das bedeutet, dass wir den Druck auf das Regime und seine Alliierten erhöhen müssen." Frankreich erwarte dabei Unterstützung von Russland und der Türkei, um eine politische Lösung des Konfliktes zu erreichen. Macron nannte Daesh, also die Terrormiliz Islamischer Staat, seinen "ersten Feind"; dies bedeute jedoch nicht, dass das geplante Vorgehen Assads gegen die teils islamistischen Rebellen in Idlib nicht trotzdem ein "verhängnisvoller Fehler" sei.

Eineinhalb Stunden lang sprach Macron vor den versammelten Botschaftern, und ließ dabei keinen Zweifel daran, dass er als ein Präsident gelten will, der Frankreich auf internationaler Bühne noch mehr Gewicht verleihen will als bisher: "Wir müssen Frankreichs Einfluss weiter verstärken." Und so erklärte er globale Herausforderungen wie den Kampf gegen den Nationalismus und sogar den ökologischen "Kampf für den Planeten" zu den zentralen Themen seiner Amtszeit.

Die Opposition bringt sich in Stellung

So kämpferisch sich Macron am Montag gab, so entschlossen hatte sich die Opposition am Wochenende gezeigt. Zum Ende der Sommerferien bringen sich Frankreichs Parteien für die Wiederaufnahme des politischen Betriebs in Position. Besonders lautstark machte in diesem Jahr Jean-Luc Mélenchon mit seiner linken France Insoumise, dem Unbeugsamen Frankreich, auf sich aufmerksam. Während eines viertägigen Parteitreffens in Marseille hatte Mélenchon nicht nur linke Kräfte um sich gesammelt, sondern auch konservative Redner eingeladen, um Front gegen den gemeinsamen Feind zu machen: Präsident Macron.

In einer Rede vor seinen Anhängern sagte Mélenchon, dass er aus den Europawahlen im Mai 2019 ein "Anti-Macron-Referendum" machen werde. "Wir laden die Franzosen dazu ein, ihm eine Abreibung zu verpassen." Mélenchon sprach lange über den Umweltschutz und sagte, man könne keine ökologischen Überzeugungen haben und "für die europäische Sparpolitik und für die Nato und für den Krieg" sein. Mélenchon wirft Macron vor, sich in europapolitischen Fragen Deutschland unterzuordnen. Vergangene Woche sagte er, Macron verteidige ein "Europa à la sauce Merkel".

Auch die Republikaner setzten am Sonntag auf einen Anti-Macron-Kurs. In einer Rede am Sonntag sagte der Parteivorsitzende Laurent Wauquiez, dass man sich keinen "Illusionen über den Macronismus" mehr machen müsse, die Politik des Präsidenten sei "ungerecht". Wauquiez erklärte sich selbst zum "Verteidiger der Rentner". Ansonsten blieb er seiner Linie des vergangenen Jahres treu: Er wählte Worte, die auch die rechtsradikale Marine le Pen verwenden könnte. "Die Massenimmigration ist eine kulturelle Bedrohung für die europäische Zivilisation geworden." Anders als Mélenchon verfügt Wauquiez in seiner Partei über keinen sicheren Rückhalt. Der polternde, manchmal vulgäre Ton ihres Vorsitzenden ist unter Republikanern umstritten. Viele wünschen sich eine gemäßigtere, bürgerlichere Politik.

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SZ vom 28.08.2018/fie
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