Polen und die EU:Eine Reform ist nicht genug

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Die "Meilensteine" müssen erfüllt sein: Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, und Mateusz Morawiecki, Ministerpräsident von Polen. (Foto: Radek Pietruszka/dpa)

Die polnische Regierung hofft auf Hilfszahlungen der Europäischen Union und will die Justiz des Landes schrittweise wieder unabhängig machen. Doch die EU-Kommission ist nicht überzeugt.

Von Viktoria Großmann, München

Polen bekommt weiterhin kein Geld von der EU. Die Schritte, welche die polnische Regierung unternommen hat, um die Justiz wieder unabhängig von der Politik zu machen, reichen aus Sicht der EU-Kommission nicht aus. Worauf polnische Richter, Oppositionspolitiker und Europa-Abgeordnete schon lange hingewiesen hatten, bestätigte nun auch Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Man analysiere das neue Gesetz zum Disziplinarregime für Richter zwar noch: "Aber ich kann schon jetzt sagen, dass dieses neue Gesetz nicht gewährleistet, dass Richter den Status eines anderen Richters infrage stellen können, ohne ein Disziplinarverfahren zu riskieren."

Dies sei jedoch eine notwendige Voraussetzung und müsse geklärt werden, bevor die erste Zahlung an Polen freigegeben werden könne, sagte von der Leyen im tschechischen Litomyšl, wo am Wochenende die tschechische EU-Ratspräsidentschaft eröffnet wurde.

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Von der Leyen hatte sich zuletzt viel Kritik aus den Reihen des Europaparlaments anhören müssen, wo Abgeordnete mehrerer Fraktionen ihren Kurs gegenüber Polen als zu weich empfinden. Schon Anfang Juni hatten französische Vertreter der liberalen Fraktion ein Misstrauensvotum angedroht, auch der deutsche Grünen-Abgeordnete Daniel Freund bringt ein solches ins Spiel.

Polens Premier bleibt zuversichtlich und lobt sein Land auf Twitter

Anfang Juni war Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Warschau gereist und hatte verkündet, der Wiederaufbauplan Polens könne grundsätzlich akzeptiert werden. Die EU-Staaten mussten diese Pläne einreichen, um das Geld aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zu bekommen. Um 24 Milliarden Euro an nicht rückzahlbaren Mitteln geht es für Polen, dazu günstige Kredite.

Von der Leyen hatte in Warschau betont, Polen müsse zuvor die vereinbarten "Meilensteine" erfüllen. Dazu gehören auch Schritte für eine unabhängige Justiz, also hin zu einem funktionierenden Rechtsstaat. Kurz darauf setzte Warschau einen Gesetzentwurf von Präsident Andrzej Duda um, der die Disziplinarkammer für Richter auflöst. Kritiker in Polen wie im Europäischen Parlament hatten darauf hingewiesen, dass es sich um eine bloße Namensänderung der Kammer handle. Die laut Europäischem Gerichtshof zu Unrecht berufenen Richter könnten weiter am Obersten Gericht in anderen Kammern arbeiten. Die vom politisierten Gericht suspendierten Richter hingegen dürften nicht zurückkommen.

Vergangenen Donnerstag wurde Vize-Kommissionspräsidentin Věra Jourová im Europäischen Parlament gefragt, ob Dudas Gesetz einen der Meilensteine erfülle: "Nein, das tut es nicht", sagte die für Werte und Transparenz zuständige Kommissarin. "Und wenn Polen nicht ausreichend die gesetzlich vorgeschriebenen Regeln für die polnische Justiz umsetzt, welche die Meilensteine erfüllen, dann werden wir das Geld nicht zahlen."

Der polnische Premier Mateusz Morawiecki sagte dazu im privaten Fernsehsender TVN24 nur, Europa brauche nun Einigkeit und Solidarität. Er sei zuversichtlich, dass Polen das Geld zum Jahreswechsel oder zu Anfang des neuen Jahres erhalten werde. Auf Twitter lobte er Polen am Donnerstag als "führend" bei der Investition europäischer Mittel. Oder wie EU-Kohäsionskommissarin Elisa Ferreira sagt: "Polen bleibt der größte Empfänger von EU-Mitteln." Vergangenen Donnerstag hatte die Kommission die Partnerschaftsvereinbarung mit Polen genehmigt, in der festgelegt ist, wie Polen die sogenannten Kohäsionsmittel aus dem Haushalt 2021 bis 2027 einsetzen will. Für Polen sind 76,5 Milliarden Euro etwa zur Umsetzung klimapolitischer Ziele vorgesehen.

Mittel aus dem Corona-Aufbaufonds sind blockiert und werden es wohl auch bleiben

Auch hierzu heißt es, quasi im Kleingedruckten, die Mitgliedsstaaten müssten "grundlegende Voraussetzungen" erfüllen. Dazu gehöre "die Einhaltung der EU-Grundrechtecharta". Soll heißen: Würde gegen Polen einmal ein Verfahren nach der neuen Rechtsstaatskonditionalität angestrengt, so wie gegen Ungarn, könnte die Kommission solche Kohäsionsmittel zurückhalten.

Auf der sicheren Seite ist die polnische Regierung also längst nicht. Zumal sie auf die Mittel aus dem Corona-Aufbaufonds dringend angewiesen ist. Diese sind nun blockiert und werden es nach Einschätzung der meisten Beobachter unter der aktuellen Regierung auch bleiben. Schließlich, so sagt es etwa der Rechtsanwalt Michał Wawrykiewicz in der Gazeta Wyborcza, habe doch diese Regierung nicht sieben Jahre lang die Unabhängigkeit der Justiz abgebaut, nur, um nun alles zurückzunehmen.

Auch die Opposition fühlt sich in ihrer Kritik bestätigt: Der frühere Präsident Bronisław Komorowski sagte bei TVN24, ein negativer Bescheid aus Brüssel könne Premier Morawiecki in Schwierigkeiten bringen. "Wenn sich herausstellt, dass seine Erklärungen und Zusagen nicht mit dem übereinstimmen, was die Kommission für vereinbart hält, und wir zusätzliches Geld verlieren, dann möchte ich nicht in seiner Haut stecken."

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