Süddeutsche Zeitung

EU-Parlament:Weber hält an Orbán fest

Der CSU-Politiker verteidigt das Bündnis mit Ungarns Premier. Er bleibe "klar in der Position, aber offen im Gespräch".

Von Daniel Brössler, Berlin

Der Spitzenkandidat der europäischen Christdemokraten, Manfred Weber (CSU), hält trotz anhaltender Kritik vorerst am Bündnis mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán fest. Zwar dürfe es in Fragen der Rechtsstaatlichkeit keinen "Rabatt" für Ungarn geben, sagte Weber am Montag in Berlin. Er vertrete aber "dezidiert die Position, dass wir die Probleme in Europa nur lösen werden, wenn wir miteinander reden". Weber war auch mit Unterstützung Orbáns und dessen Partei Fidesz Anfang November zum Spitzenkandidaten der Europäischen Volkspartei (EVP) für die Europawahl im Mai gewählt worden. Ziel Webers ist es, Jean-Claude Juncker im Amt des Präsidenten der EU-Kommission nachzufolgen. Forderungen aus anderen Parteien, sich vor einer möglichen Wahl durch das EU-Parlament von Orbán zu distanzieren, erteilte Weber eine Absage. Gegenüber Orbán bleibe er "klar in der Position, aber offen im Gespräch".

Er wolle "starke Nationalstaaten", sagt Weber, aber die gebe es nur in einem starken Europa

Die Haltung zu Orbán könnte nach der Europawahl von zentraler Bedeutung werden. So richtet sich ein neues Bündnis der europäischen Liberalen mit der Bewegung En Marche des französischen Präsidenten Emmanuel Macron unter anderem auch dezidiert gegen den nationalistischen ungarischen Regierungschef. Weber räumte ein, dass Orbán der EVP "Fragen mit auf den Weg gebe". In diesem Zusammenhang verwies er auf die Beschlusslage der EVP, die von Orbán ein klares Bekenntnis zu den Grundwerten der EU verlange. "Viktor Orbán ist jetzt in der Pflicht, dem nachzukommen", sagte er. Die Sozialdemokraten rief Weber auf, Einfluss auf die ihrer Parteienfamilie angehörenden Regierungen in Rumänien, der Slowakei und Malta zu nehmen. Auch in Rumänien gebe es Angriffe auf die Rechtsstaatlichkeit. In der Slowakei und Malta seien Investigativjournalisten getötet worden.

Das EU-Parlament hatte sich im September für die Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens nach Artikel 7 des EU-Vertrages gegen Ungarn ausgesprochen. Grundlage war ein Bericht, in dem der ungarischen Regierung zahlreiche Verstöße gegen europäische Grundwerte vorgeworfen werden. Ministerpräsident Orbán forciere Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Einschränkung der Pressefreiheit und der Rechte von Minderheiten sowie ein Vorgehen gegen Nichtregierungsorganisationen in seinem Land, heißt es darin. Im Unterschied zu anderen CSU-Abgeordneten hatte Weber für den Beschluss gestimmt.

Im Wahlkampf soll sich die EVP nach Webers Willen eindeutig gegen rechtspopulistische Parteien wenden. "Sie sprechen von Vaterländern, meinen aber den puren Egoismus und Nationalismus", sagte er. Die Abgrenzung von "diesen rechten Kräften" sei europaweit die zentrale Aufgabe pro-europäischer Kräfte.

Für den Wahlkampf in Deutschland kündigte Weber eine Kampagne an, die sich besonders auch gegen die Alternative für Deutschland richtet. "Die AfD ist die Brexit-Partei Deutschlands", sagte er. Zwar wolle man starke Nationalstaaten, betonte Weber. Die EVP sei aber "überzeugt davon, dass starke Nationalstaaten in der globalisierten Welt nur stark sein können in einem vereinigten, starken Europa".

An diesem Dienstag will Weber Polen und dort das ehemalige deutsche Konzentrationslager Auschwitz besuchen. Er wolle so deutlich machen, dass er sich "der deutschen Verantwortung bewusst" sei, sagte er.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4217784
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 20.11.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.