Süddeutsche Zeitung

Europäische Union:Intransparente Transparenz

  • Die Europaabgeordneten stimmen an diesem Donnerstag darüber ab, ob sie Treffen mit Lobbyisten zukünftig transparent machen müssen.
  • Die Fraktion der Christdemokraten will nur im Geheimen darüber abstimmen lassen.
  • Dabei beträfe die Regelung nicht einmal alle Abgeordneten, sondern nur die, die eng an Gesetzesentwürfen arbeiten.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Teure Geschenke, Gänsestopfleber und Einladungen auf exklusive Inseln - so oder so ähnlich sieht Lobbyarbeit in Filmen aus. Die Wahrheit ist oft viel weniger glamourös: Firmenvertreter und Politiker treffen sich in Büros, und der eine versucht, den anderen von seiner Meinung zu überzeugen. Solche Treffen sind nicht per se verwerflich. Aber um den Werdegang eines Gesetzes zu verstehen, ist es hilfreich, zumindest zu wissen, wer wann mit wem gesprochen hat.

Die EU-Kommissare und ihre Abteilungsleiter müssen solche Treffen darum schon lange auf ihren Homepages publik machen; auch in manchen Ländern ist das üblich, etwa in Kanada oder den Vereinigten Staaten. Für Abgeordnete des Europaparlaments gilt diese Regel bislang nicht, aber das könnte sich ändern: An diesem Donnerstag stimmen sie darüber ab, ob auch sie solche Treffen künftig öffentlich machen sollen.

Transparenz ist nicht allen Abgeordneten geheuer

Für viele Abgeordnete ist diese Abstimmung eine Frage der Politikerehre: In Zeiten zunehmenden Populismus' sei es wichtiger denn je, die eigene Arbeit transparent zu machen, sagt etwa der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold. "Viele Leute denken, dass wir Politiker nur den reichen Leuten zuhören", sagt er. Das stimme zwar nicht, aber: "Dieser Verdacht klebt an uns."

Offenbar ist die Sache mit der Transparenz nicht allen Abgeordneten ganz geheuer: Die Fraktion der Christdemokraten im Europaparlament will vor der Abstimmung am Donnerstag einen Antrag stellen, dass über die neuen Transparenzregeln geheim abgestimmt werden soll. Sven Giegold nennt das einen "schlechten Witz", der gerade so kurz vor der Wahl ein falsches Zeichen sende. Auch der zuständige Berichterstatter des Parlaments, der britische Labour-Abgeordnete Richard Corbett, hält nichts von der Idee: "Eine geheime Abstimmung über mehr Transparenz - das würde vollkommen lächerlich aussehen", sagt er.

Der Vorsitzende von CDU und CSU im Europaparlament, Daniel Caspary, verteidigt das Vorgehen: man wolle sich keinesfalls hinter einer geheimen Abstimmung verstecken. Ihnen gehe es um die freie Entscheidung der Abgeordneten. "Auf uns sind Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Fraktionen zugekommen und haben gesagt, sie stünden unter massivem Druck", sagt er. "Sie hätten eine andere Meinung, aber trauten sich nicht bei dieser Grundfrage des freien Mandats entsprechend ihrer eigenen Überzeugung abzustimmen." Geheime Abstimmungen sind im Europaparlament extrem selten und kommen fast ausschließlich bei Personalfragen vor.

Die Regeln sollen nicht für alle Abgeordneten gelten

Caspary gehört zu jenen Abgeordneten, die nicht nur für eine geheime Abstimmung sind, sondern auch jene Transparenz, wie sie der Vorschlag vorsieht, in manchen Situationen für hinderlich halten: "Zur Freiheit des Mandats gehört auch, dass jeder Bürger sich mit Abgeordneten treffen und sich sicher sein kann, dass dies, wenn gewünscht, auch vertraulich bleibt", sagt er. Es sei unmöglich, bei jedem oft zufälligen Bürgerkontakt bei Vereinsfesten oder selbst in der Freizeit zu prüfen, wer genau der Bürger ist, für wen er arbeitet und ob er gegebenenfalls im Lobbyregister eingetragen ist oder nicht". Bei einigen Treffen - etwa mit Whistleblowern - gehe es außerdem auch um Quellenschutz.

Die Befürworter der Reform lassen diese Argumente nicht gelten: Der Grundsatz des "freien Mandats", das im Statut des Europaparlaments festgeschrieben ist, bedeute ja gerade, dass Abgeordnete sich nicht von Dritten beeinflussen lassen sollen - da sei mehr Transparenz sogar eher förderlich. Außerdem würden die neuen, strengeren Vorschriften sowieso nur für Abgeordnete gelten, die als Berichterstatter oder Vorsitzende eines Komitees sehr eng an den Gesetzestexten arbeiten. Das wiederum seien aber freiwillige Aufgaben: niemand sei verpflichtet, diese Rollen zu übernehmen.

Der Organisation Lobbycontrol zufolge besitzen mehr als 7000 Lobbyisten einen Zugangspass für das EU-Parlament: "Auf jeden der 751 Abgeordneten kommen zehn Lobbyisten, die ganz überwiegend Wirtschaftsinteressen vertreten", heißt es in einer Mitteilung: "Wir brauchen hier endlich mehr Transparenz, um nachvollziehen zu können, wer wie Einfluss auf Gesetzgebungsprozesse nimmt." Sven Giegold hofft aber auch, dass die Reform bei den Parlamentariern das Bewusstsein für die eigene Arbeit schärfen könnte: "Es gibt auch grüne Europaabgeordnete, die sich häufiger mit Wirtschaftsvertretern unterhalten sollten", sagt er.

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SZ vom 31.01.2019
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