EU-Parlament:Der Anti-Schulz

EU-Parlament: "Ich möchte mir nicht anmaßen, der Premierminister der Europäischen Union zu sein", sagt Antonio Tajani über sein neues Amt. Der 63-Jährige hatte sich in einer Stichwahl gegen Herausforderer Gianni Pittella durchgesetzt.

"Ich möchte mir nicht anmaßen, der Premierminister der Europäischen Union zu sein", sagt Antonio Tajani über sein neues Amt. Der 63-Jährige hatte sich in einer Stichwahl gegen Herausforderer Gianni Pittella durchgesetzt.

(Foto: Jean-Francois Badias/AP)

Antonio Tajani wird die Rolle des EU-Parlamentspräsidenten verändern: Er will weniger politisch auftreten als sein Vorgänger Martin Schulz, dafür präsidentieller.

Von Daniel Brössler, Straßburg

Seine Wahl zum Präsidenten des Europäischen Parlaments liegt erst ein paar Minuten zurück, als Antonio Tajani eine Frage gestellt wird, auf die er keine Antwort hat. Wie er denn zum harten Brexit stehe, den Großbritanniens Premierministerin Theresa May in einer Rede entworfen habe, wird der Italiener während einer ersten nächtlichen Pressekonferenz gefragt. "Ich sollte nichts sagen zu Äußerungen von Regierungschefs der europäischen Saaten", teilt der neue Präsident knapp mit. Wenn etwas das Parlament angehe, dann werde er antworten. Das ist neu. Denn der Mann, der den Stuhl des Präsidenten gerade für Tajani frei gemacht hat, war um eines nie verlegen: eine Antwort. Fünf Jahre lang hat der Sozialdemokrat Martin Schulz das Amt des Parlamentspräsidenten stets sicht- und hörbar und überaus politisch ausgeübt. "Heute beginnt eine neue Zeit", stellt Tajani klar.

Die Wahl des 63-Jährigen ist in doppelter Hinsicht eine Zäsur. Nach erbittertem Machtkampf hat sich der frühere EU-Industriekommissar und langjährige Vertraute von Silvio Berlusconi in einer Stichwahl mit 351 Stimmen gegen seinen sozialdemokratischen Landsmann Gianni Pittella durchgesetzt. Das besiegelt das Ende der großen Koalition in Brüssel und Straßburg, markiert aber auch den Abschied von einer Rolle des Parlamentspräsidenten, die Schulz sich auf den Leib geschneidert hatte. Als enger Freund von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Garant verlässlicher Mehrheiten hielt Schulz über Jahre entscheidende Fäden der EU-Politik in der Hand. Bei den EU-Gipfeln trat er stets selbstbewusst als Politiker auf, der die Agenda setzen will. Ein Anspruch, von dem sich Tajani umgehend überdeutlich distanziert hat. "Ich möchte mir nicht anmaßen, der Premierminister der Europäischen Union zu sein", sagt er. Dem Rat gegenüber werde er nicht seine Meinung vertreten, "sondern die Vielfalt der Meinungen des Parlaments".

Das ist eine Aufgabenbeschreibung, mit der Tajani vielen im Parlament entgegenkommt. Zwar beklagt etwa die Linken-Abgeordnete Cornelia Ernst, Tajani stehe als Berlusconi-Mann für "spaltenden, rechtskonservativen Populismus", doch auch Linke, Grüne und Sozialdemokraten haben nichts dagegen, wenn sich der neue Präsident politisch zurücknimmt. Der Sozialdemokrat Pittella hat nach seiner Niederlage Tajani überaus herzlich umarmt. Aus seiner Erleichterung darüber, aus dem Schatten von Schulz treten zu können, machte der Fraktionschef in den vergangenen Wochen kein Geheimnis mehr. Schulz sei Präsident einer Koalition gewesen, nicht des Parlaments, warb Pittella um Stimmen von Linken und Grünen.

Zufrieden sein kann nun insbesondere der Fraktionschef der christdemokratischen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber von der CSU. Weber hatte sich gegen eine eigene Kandidatur für das Amt des Parlamentspräsidenten gesträubt und einen anderen Plan verfolgt: Die Macht sollte wieder zurück in die Hände der Fraktionschefs kehren und die Rolle des Parlamentspräsidenten wieder eher präsidentiell werden. Tajani macht da nun gerne mit. Er hat angekündigt, in seinem Büro weniger Mitarbeiter beschäftigen zu wollen als Schulz, und beschreibt seinen Job so: "Der Präsident muss dafür sorgen, dass die politischen Aussprachen frei verlaufen können."

Fehlen wird Schulz nun vor allem Kommissionspräsident Juncker. Er hätte sich eine Verlängerung der Amtszeit von Schulz gewünscht und will das auch am Mittwoch während einer Pressekonferenz "nicht verhehlen". Neben ihm sitzt Tajani, den er dann auch noch ein bisschen lobt. Den Italiener kenne er seit dem "letzten Jahrhundert", dessen Wahl erfülle sein "Herz mit Freude". An die Sozialdemokraten appelliert Juncker, sich nun nicht in die Oppositionsrolle zurückzuziehen. "Es wäre wichtig, dass die proeuropäischen Kräfte im Parlament zusammenarbeiten", mahnt er.

Auf Schulz kann Juncker da nicht mehr bauen, der ist am Mittwoch nur noch einfacher Abgeordneter. "Ich habe versucht, dem Europäischen Parlament mit dem, was ich beizutragen habe, ein Profil zu verleihen, das ganz sicher stark beeinflusst war von mir persönlich", räumt er nach der Übergabe seines Büros an Tajani ein, "aber ich glaube, das Parlament hat darunter nicht gelitten." So wie es nicht unter Tajani leiden werde. Jeder habe schließlich seinen eigenen Stil.

Seinen scheint Tajani schon gefunden zu haben. Nach Veröffentlichung der Panama Papers hatte Tajani auf Twitter kritisch nachgefragt, was denn auf Malta los sei. Das habe er als Parteipolitiker getan, klärt Tajani am Mittwoch auf. Als Parlamentspräsident sei das nicht mehr sein Job.

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