Neuer EU-Ratspräsident:Ein Vierteljahrhundert Politik

Neuer EU-Ratspräsident: Der künftige EU-Ratspräsident und bisherige belgische Premierminister Charles Michel, 43.

Der künftige EU-Ratspräsident und bisherige belgische Premierminister Charles Michel, 43.

(Foto: Geoffroy van der Hasselt/AFP)
  • Der bisherige belgische Premierminister Charles Michel wird am 1. Dezember seinen Posten als neuer Ratspräsident der EU antreten.
  • Der heute 43-Jährige begann seine politische Karriere bereits im Alter von 18 Jahren.
  • Wer sein Nachfolger in der belgischen Regierung wird, ist noch unklar.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

"Eine Ehre, ein Privileg und eine Verantwortung" seien es, dass seine Kollegen ihn gewählt haben, sagte der belgische Premierminister Charles Michel am Dienstagabend, kurz nach seiner Wahl zum Ratspräsidenten der EU. Erst ein wenig hölzern auf Englisch, dann noch einmal etwas freier und auch ausführlicher auf Französisch, seiner Muttersprache. Die Sprache der Augen aber ist universell, und so war vollkommen klar: Hier freut sich jemand sehr.

Für den 43 Jahre alten Politikersohn ist die Berufung die Krönung einer sehr steilen Karriere: mit 18 Provinzabgeordneter, mit 23 jüngster Abgeordneter im belgischen Parlament, mit 24 bereits Innenminister in Wallonien. An seinem 32. Geburtstag wurde er belgischer Entwicklungsminister, vier Jahr später Chef der französischsprachigen Liberalen.

Als er 2014 Premier wurde, war das trotz dieses Lebenslaufs eine Überraschung, weil seine Partei auf der in Belgien enorm wichtigen regionalen Ebene in der Opposition geblieben war. "Kamikaze-Koalition" nannte man sein Bündnis mit der flämischen Separatistenpartei N-VA. Aber es war kein politisches Selbstmordkommando. Die Koalition hielt. Zumindest bis Dezember, als die N-VA gegen den UN-Migrationspakt rebellierte. Dass Michel für seine Zustimmung zum auch anderswo umstrittenen Pakt den Bruch der Koalition in Kauf nahm, hat ihm international Anerkennung verschafft. Die Fähigkeit, Gegensätze zu vereinen, aber den Konflikt nicht zu scheuen, wo er nötig ist, dürfte erheblich zu Michels Wahl beigetragen haben. Auch die 28 Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat sind ein sehr heterogener Haufen aus fast allen Parteienfamilien.

Michel hatte sich in dieser Runde als Teil einer liberalen Boyband um die Benelux-Kollegen Xavier Bettel aus Luxemburg und Mark Rutte aus den Niederlanden positioniert; Leadsänger der Gruppe war bislang der französische Präsident Emmanuel Macron, aber vielleicht ändert sich das durch die neue Aufgabenverteilung. Im Rat haben die vier oft gemeinsame Sache gemacht. Zuletzt gehörten sie etwa zu jenen Ländern, die beim Gipfel im rumänischen Sibiu die EU zu ambitionierteren Klimazielen ermahnten - ein Thema, das Michel auch in Belgien beschäftigt hat.

Nun also wird Michel am 1. Dezember die Nachfolge von Donald Tusk antreten; als bereits zweiter Belgier nach Herman Van Rompuy, seitdem der Posten des Ratspräsidenten durch den Vertrag von Lissabon vor zehn Jahren neu gestaltet wurde. In Michels Heimat begreift man das auch als Aufforderung, der belgischen Stimme in Europa wieder mehr Gewicht zu verschaffen. Wer Michel als Premier nachfolgen wird, ist nach den belgischen Wahlen Ende Mai noch vollkommen unklar. Dass Michel also schlicht auch verfügbar war, dürfte zu seinem Erfolg zusätzlich beigetragen haben.

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