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Europawahl:Das EU-Parlament hat Macht: Sechs Beispiele

  • Das Europäische Parlament ist an fast allen Gesetzen beteiligt, die in der EU erlassen werden.
  • Viele der Richtlinien und Verordnungen, die in dieser Periode verabschiedet wurden, kommen den Bürgern Europas ganz unmittelbar zugute.
  • Erfolgreich waren die Abgeordneten auch beim Ringen um strengere CO₂-Grenzwerte für Neuwagen.

Von Karoline Meta Beisel

Wie die Arbeit des Europaparlaments die Bürger der Europäischen Union betrifft, merkt man nirgendwo so deutlich wie auf Reisen. Früher waren Auslandsgespräche eine Herausforderung für den Kontostand; heute lauern auf der Telefonrechnung kaum noch böse Überraschungen, weil das EU-Parlament die sogenannten Roaming-Gebühren 2017 abgeschafft hat. Wer abends im Hotel nicht das lokale Fernsehprogramm, sondern die Lieblingsserie weitergucken will, kann das tun - wegen der "Portabilitätsverordnung" aus dem Jahr 2017, die das grenzüberschreitende Fernsehen im Internet erleichtert. Vielleicht kann man das Wirken der EU bald sogar am Strand besichtigen. Anfang des Jahres haben sich das Parlament und die Mitgliedstaaten auf ein Verbot von Einwegplastik geeinigt. Das könnte die Meere sauberer machen.

Das Europäische Parlament ist an fast allen Gesetzen beteiligt, die in der EU erlassen werden. Viele der Richtlinien und Verordnungen, die in dieser Periode verabschiedet wurden, kommen den Bürgern Europas ganz unmittelbar zugute. Telefonieren, Fernsehen, Plastikmüll, und das oft ohne großes Aufsehen.

Darum ist es umso erstaunlicher, dass in der vergangenen Legislaturperiode ausgerechnet eher sperrige Gesetze die meiste Aufmerksamkeit bekommen haben. Über die Datenschutzgrundverordnung, vor allem aber um die "Richtlinie über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt", oder kurz: die Copyright-Reform, wurde heftig gestritten.

Plötzliches Interesse

Gerade die Urheberrechtsnovelle war so umkämpft, dass sich Leute plötzlich nicht mehr nur für die Vor- und Nachteile von Uploadfiltern, sondern auch dafür interessierten, wann eigentlich der Ausschuss der EU-Botschafter das nächste Mal tagt, wie viele Stimmen die einzelnen Staaten im Ministerrat auf die Waage bringen, oder wie viele Abgeordnete zusammenkommen müssen, um im Plenum eine neue Abstimmung über Aspekte eines eigentlich schon fast fertigen Gesetzes zu erzwingen. Auch wenn die Gegner der Reform über das Ergebnis dieser denkbar knappen Abstimmung - es fehlten nur fünf Stimmen - nicht glücklich sind: Zumindest, was das Verständnis für die Feinheiten des Gesetzgebungsverfahren angeht, war die Debatte über die Urheberrechtsreform ein großer Erfolg.

Erfolgreich waren die Abgeordneten auch beim Ringen um strengere CO₂-Grenzwerte für Neuwagen. Die EU-Kommission hatte ursprünglich nur eine Senkung um 30 Prozent vorgeschlagen, die Mitgliedstaaten hatten für 35 Prozent plädiert. Am Ende einigten sich die Institutionen auf ein neues Ziel von 37,5 Prozent - weil das Parlament in den Verhandlungen zu dem Gesetz auf ein ambitionierteres Emissionsziel bestanden hatte.

Auch bei den Verhandlungen zum wohl umstrittensten Gesetzgebungsvorhaben der ausgehenden Legislaturperiode könnte das Europaparlament als Vorbild vorangehen. Schon Ende 2017 haben sich die Abgeordneten fraktions- und länderübergreifend auf neue Regeln für eine gerechtere Verteilung von Asylsuchenden in der EU geeinigt, um Staaten an den Außengrenzen zu entlasten. Aber weil die Mitgliedsstaaten sich bei dem Thema nicht einig sind, geht es nicht voran. Ohne die Staats- und Regierungschefs im Rat können die Abgeordneten kaum etwas ausrichten. Zum Trost: Wo immer Parlament und Rat gemeinsam für die Gesetzgebung zuständig sind, ist es andersherum genauso.

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SZ vom 25.05.2019/fie
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