EU:"Pandemie innerhalb einer Pandemie"

EU: Neue Grenzkontrollen will Angela Merkel vermeiden. Ganz ausgeschlossen sind sie aber auch nicht, wie die Vorschläge zeigen.

Neue Grenzkontrollen will Angela Merkel vermeiden. Ganz ausgeschlossen sind sie aber auch nicht, wie die Vorschläge zeigen.

(Foto: Olivier Hoslet/AP)

Wer aus Gebieten kommt, in denen sich die neue Virusvariante schon verbreitet hat, soll streng getestet und in Quarantäne geschickt werden. Das schlägt die Bundesregierung als EU-weite Regel vor. Das Problem ist nur: Keiner weiß bislang genau, wo die Mutation überall schon wütet.

Von Karoline Meta Beisel, Brüssel

Beim Videogipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstagabend will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Vorschläge zur Eindämmung der neuen Varianten des Coronavirus machen. Es sei dringend nötig, die Verbreitung "zu verhindern oder zumindest zu verlangsamen", heißt es in einem Papier, das die Bundesregierung vorab im Krisenreaktionsgremium IPCR zirkulieren ließ, und das der SZ vorliegt. Merkel hat zwar am Dienstagabend nach der Konferenz mit den Ministerpräsidenten betont, dass sie erneute Grenzkontrollen vermeiden wolle. Vollkommen ausgeschlossen sind diese allerdings nicht, wie das Papier zeigt.

Konkret schlägt die Bundesregierung darin Maßnahmen an den Außengrenzen, aber auch innerhalb der EU vor. So sollten sich die Mitgliedstaaten für Reisende aus Gebieten außerhalb der EU, in denen die Virusvarianten bereits verbreitet sind, auf strenge Test- und Quarantänepflichten einigen. Ausnahmen sollten nur in wenigen Fällen gelten, etwa für Arbeiter im Transport- oder Gesundheitswesen. Wo nötig, könnten Mitgliedstaaten aber auch noch strengere Regeln einführen - etwa Einreiseverbote, wie sie bereits im vergangenen Frühjahr während der ersten Corona-Welle in Kraft waren. Beschränkungen sollten "zeitlich befristet" sein und "möglicherweise auch für EU-Bürger oder Menschen mit Aufenthaltsrecht in der EU" gelten. Grundlage für solche Entscheidungen solle eine gemeinsame Liste mit Gegenden sein, in denen das Virus bereits zirkuliert.

Mitgliedstaaten sollen viel mehr Proben analysieren

Aber auch innerhalb der EU könnten die neuen Virus-Varianten Konsequenzen haben. Die Bundesregierung schlägt vor, die Verbreitung der Varianten bei der Ausweisung von Risikogebieten zu berücksichtigen, etwa auf der Karte des EU-Seuchenkontrollzentrums ECDC. Dann könnten auch innerhalb der EU auf dieser Basis Test- oder Quarantänepflichten verhängt werden. Auch die in Deutschland bereits geltende Bewegungsbeschränkung auf einen Radius von 15 Kilometern nennt das Papier als Option.

Mit den Vorschlägen macht das Papier gewissermaßen den zweiten Schritt vor dem ersten: Denn kaum ein Mitgliedstaat der EU sequenziert bislang genug Proben, um überhaupt zu wissen, wo welche Varianten wie weit verbreitet sind. Die EU-Kommission hat die Mitgliedstaaten darum aufgefordert, viel mehr Proben zu analysieren. Bis es so weit ist, befinden sich die Mitgliedstaaten sozusagen im Blindflug. Diese Erkenntnis sorgt auch in anderen Hauptstädten für Sorgen: "Es ist wie eine Pandemie innerhalb einer Pandemie", sagt ein hochrangiger EU-Diplomat.

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