EU und die Syrien-Frage:Österreich will „nicht warten, sondern arbeiten“

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Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mahnt angesichts der Eile Österreichs zur Geduld. (Foto: Omar Havana/dpa)

In der EU gibt es unterschiedliche Vorstellungen davon, wie man nun mit Geflüchteten aus Syrien umgehen soll. Innenministerin Faeser plädiert für gemeinsames Handeln. Doch ein anderes Land prescht voran.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Der österreichische Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) hatte an diesem Donnerstag erkenntlich Spaß an seinem Auftritt in Brüssel. Ein Aspekt erfüllte ihn aber vor dem Treffen mit seinen europäischen Kolleginnen und Kollegen mit besonderer Freude, wie er sagte: dass er seinem Landsmann und konservativen Parteifreund Magnus Brunner wieder begegnete. Der ehemalige österreichische Finanzminister erschien nämlich in seiner neuen Funktion als EU-Kommissar für Inneres und Migration zu der Sitzung im Brüsseler Ratsgebäude.

Zwei Österreicher als europäische Achse, wenn es um Fragen von Migration und innerer Sicherheit in der EU geht? Diese Wahrnehmung entspräche durchaus dem Selbstverständnis von Minister Karner.

Die österreichische Regierung hat als erste in Europa einen detaillierten Plan vorgelegt, welche syrischen Flüchtlinge in ihr Heimatland abgeschoben werden können, sollte sich die Lage dort stabilisieren. Länder wie Deutschland, Frankreich und Italien haben laufende Asylverfahren ausgesetzt. In Österreich aber leitet man darüber hinaus bereits offiziell Asyl-Aberkennungsverfahren für 40 000 der insgesamt knapp 100 000 im Land lebenden Syrerinnen und Syrer ein. Damit will die Regierung zum Beispiel vermeiden, dass Fristen verstreichen, die den Schutzstatus der Geflüchteten erhöhen. Denn wer länger als fünf Jahre im Land lebt, ist schwerer abzuschieben.

Österreichs Innenminister möchte die Abschiebungen von Syrern zügig vorbereiten

„Das ist harte, seriöse Arbeit“, entgegnete Karner in Brüssel den Vorwürfen, er handle populistisch. Falls die Asylgründe entfallen, werde es ohnehin keine „Massendeportationen“ geben, sagte er, sondern man werde nach eindeutigen Kriterien vorgehen. Zunächst werde abgeschoben, wer straffällig geworden ist, wer sich nicht integrieren und wer nicht arbeiten wolle. Wirksam kann eine Asyl-Aberkennung erst werden, wenn die Lage in Syrien rechtssicher neu bewertet wird. Aber so lange dürfe sich der Staat nicht Zeit lassen mit seinen Vorbereitungen, sagt Karner. „Da muss man nicht warten, da muss man arbeiten, um das auch klar zu sagen.“

Im Umkehrschluss hieße das allerdings, dass andere Regierungen schludern, wenn sie nicht mit dem österreichischen Tempo vorangehen. Von dem Vorwurf betroffen fühlen dürfte sich vor allem die deutsche Regierung. Denn Deutschland hat, vor Österreich, in Europa die meisten Menschen aus Syrien aufgenommen.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mahnte in Brüssel zur Geduld, was Abschiebungen betrifft, und warb um Menschen, die in Deutschland gebraucht werden, Ärzte und Pflegekräfte zum Beispiel. Sie dürften gerne bleiben, „solange sie sich an die Gesetze halten und arbeiten“. Rückführungen sollten die Regierungen in der Europäischen Union gemeinsam vorbereiten, sagte sie. Man brauche dafür ja eine gemeinsame Rechtsgrundlage.

Rumänien und Bulgarien werden zu vollwertigen Mitgliedern des Schengenraums

Auch der neue EU-Kommissar Magnus Brunner klang nicht so forsch wie sein Landsmann Karner. Er sprach sich wie Faeser dafür aus, die Entwicklungen in Syrien erst einmal abzuwarten, und plädierte dafür, in einem ersten Schritt geflüchteten Menschen Anreize für eine freiwillige Rückkehr zu geben. Auch die EU-Kommission sei bereit, sich daran zu beteiligen.

Kommissar Brunner war erkenntlich stolz, dass die EU bei seinem ersten Ratstreffen gleich eine historische Entscheidung traf – und das hatte er seinem ÖVP-Parteifreund Karner zu verdanken: Rumänien und Bulgarien werden am 1. Januar zu vollwertigen Mitgliedern des Schengenraums. Im Frühjahr waren in den beiden Ländern die innereuropäischen Grenzkontrollen für Flug- und Schiffsreisende aufgehoben worden, nun soll es – im Prinzip – auch bei Reisen über Land keine Kontrollen mehr geben. Der entsprechende Beschluss kam zustande, weil Österreich sein Veto aufgab.

Jahrelang hatte sich die österreichische Regierung dagegen gewehrt, dass die beiden Länder Aufnahme im Schengen-Kreis finden. Man habe sich nicht „aus Jux und Tollerei“ widersetzt, darauf beharrte Minister Karner: Rumänien und Bulgarien hätten die EU-Außengrenzen – vor allem jene zur Türkei – nicht ausreichend gesichert. Sie seien verantwortlich gewesen für die hohe Zahl der Migranten, die in Österreich und im Rest Europas ankommen. Nun würden Rumänien und Bulgarien ihre Hausaufgaben erledigen, sagt Karner. Ganz Europa sei Österreich zum Dank verpflichtet.

Es gibt in der EU allerdings sehr viele, die das anders sehen, zum Beispiel die deutsche Ministerin Nancy Faeser. Österreich habe mit seinem Veto einen „Fehler“ begangen, sagte Faeser. Schließlich habe die EU-Kommission schon vor zwei Jahren festgestellt, dass Bulgarien und Rumänien reif seien für den Schengen-Raum. Zu den Gründen für die österreichische Haltung äußerte sie sich nicht. Aber in dem Punkt ist sich der Rest der EU einig: Die ÖVP nutzt immer wieder die Europapolitik, um sich innenpolitisch Vorteile zu verschaffen im Kampf gegen die Rechtspopulisten von der FPÖ.

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