Koalitionsgespräche in Österreich:Schallenbergs Botschaft an die EU: Kickl ist unter Kontrolle

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Übergangskanzler Alexander Schallenberg (ÖVP) will in der EU die Gemüter besänftigen. (Foto: Georg Hochmuth/dpa)

In Brüssel fragt man sich, ob Österreich unter einem EU-feindlichen FPÖ-Kanzler Kickl aus der Europäischen Union ausschert. Der vorübergehende Kanzler versucht zu beruhigen. Doch auch dem EVP-Chef Weber könnte eine Zerreißprobe drohen.

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Der Österreicher Alexander Schallenberg hat sich in Brüssel einen Namen gemacht als ebenso kundiger wie überzeugter Europapolitiker – und nicht zuletzt als überaus leutseliger Mensch. Deshalb würden sich in der EU-Hauptstadt viele Menschen freuen, wenn Schallenbergs Aufstieg vom Außenminister zum Kanzler Österreichs von Dauer wäre. Der Wunsch wird aber, wie es aussieht, nicht in Erfüllung gehen. Der EU droht vielmehr schon bald ein österreichischer Kanzler namens Herbert Kickl, eine Art Anti-Schallenberg also.

Der 55-jährige Schallenberg, ein Konservativer, hat das Kanzleramt nur übergangsweise übernommen, nach dem Rücktritt seines ÖVP-Parteifreundes Karl Nehammer. Der war gescheitert beim Versuch, eine neue Regierung ohne die vom Ultrarechten Kickl geführte FPÖ zu bilden. Als eine seiner dringendsten Aufgaben sieht Schallenberg es jetzt an, die Bande zwischen Wien und Brüssel zu festigen und die EU-Führung in Brüssel davon zu überzeugen, dass der mutmaßliche neue Kanzler Kickl die EU nicht lahmlegen oder gar verlassen wird. Dafür werde man in Wien sorgen.

Kickl könnte Putin zum Sieg gegen die Ukraine verhelfen

Herbert Kickl gilt in der EU als beinharter rechter Ideologe, als ein erklärter EU-Feind. Könnte Kickl seinen Worten Taten folgen lassen, dann würde er wohl die Unterstützung der EU für die Ukraine beenden und Wladimir Putin zum militärischen Sieg verhelfen. Er würde sich aus der gemeinsamen Migrationspolitik verabschieden, würde weniger Geld in den EU-Haushalt einzahlen. Selbst einen Austritt aus der EU hat er nicht ausgeschlossen.

An diesem Montag reiste Alexander Schallenberg nach Brüssel, um die Gemüter zu beruhigen. Anberaumt waren Treffen mit Parlamentspräsidentin Roberta Metsola, dem Ratspräsidenten António Costa und der Außenbeauftragten Kaja Kallas. Schon am Wochenende hatte er ausführlich mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen telefoniert. Von der Leyen berichtete von einem „ausgezeichneten Telefonat“, die Botschaft Schallenbergs lautete: „Österreich ist und bleibt ein verlässlicher und konstruktiver Partner in der Europäischen Union.“

Was genau besprochen wurde, blieb geheim, aber Schallenbergs Argumente sind bekannt. Er vertraut darauf, dass der grüne Bundespräsident Alexander Van der Bellen dem FPÖ-Politiker Grenzen setzen wird. Und vor allem vertraut er natürlich auf den Koalitionsvertrag, den seine ÖVP nun mit Kickl verhandelt. Es ist allerdings das Gegenteil einer vertrauensbildenden Maßnahme, dass Schallenberg schon angekündigt hat: Er selber werde einer Regierung Kickl keinesfalls angehören. Ihm geht die Liaison mit Kickl gegen den Strich.

Die drei Glaubenssätze von Manfred Weber

Der CSU-Politiker Manfred Weber zählt als Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) zu den Menschen in Brüssel, denen die Koalitionsverhandlungen in Österreich größtes Kopfzerbrechen bereiten dürfte. Die ÖVP gehört seiner christlich-konservativen Parteienfamilie an, und  Weber hat als Bedingung für die Zusammenarbeit mit rechten Parteien drei Glaubenssätze formuliert, die in Brüssel mittlerweile als Allgemeingut gelten: Die Rechten müssten pro Ukraine, pro EU und pro Rechtsstaat sein. Kickl erfüllt bislang maximal das dritte Kriterium.

Mit öffentlichen Äußerungen hält Weber sich zurück. Er will wohl den Eindruck vermeiden, er mische sich in österreichische Angelegenheiten ein. Aber vermutlich hielte er es für angebracht, dass seine drei Glaubenssätze Aufnahme im Koalitionsvertrag finden – ähnlich wie in Finnland und Schweden oder auch in den Niederlanden, wo sich Rechtspopulist Geert Wilders in den EU-Rahmen einbinden ließ. Sollte die ÖVP einen Kanzler Kickl mittragen, der die Ukraine im Stich lässt und die EU-Institutionen zurückbauen will, müsste sich Weber die Frage stellen, ob er die Österreicher nicht vor die Tür setzen muss. Es wäre eine Zerreißprobe für die EVP.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass eine FPÖ-ÖVP-Regierung in vielen Politikbereichen zum rechten Trend der europäischen Politik passen würde. Klimaschutz zum Beispiel wäre noch schwerer durchzusetzen in der EU. Absehbare Folge wäre auch eine noch restriktivere Migrationspolitik, denn schon unter ÖVP-Kanzler Nehammer zählte Österreich zu den Hardlinern in der EU.

Als der ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel Ende 1999 ein Bündnis mit der von Jörg Haider geführten FPÖ schloss, wehrte sich der Rest der EU noch geschlossen. Die anderen EU-Regierungen beschränkten ihre Kontakte mit der österreichischen Regierung auf ein Minimum. Mit einer geschlossenen Linie gegenüber einem Kanzler Kickl ist nun nicht mehr zu rechnen – schon deshalb, weil die Regierungen in Italien und Ungarn von Rechten geführt werden. Allerdings gilt ein Kanzler Kickl in Brüssel als weitaus gefährlicher als Giorgia Meloni und Viktor Orbán.

Nimmt man die politische Landschaft im Europaparlament zum Maßstab, so steht Meloni mit ihren Fratelli d’Italia deutlich links von Kickls FPÖ. Die einstige EU-Feindin ist in den vergangenen zwei Jahren zu einer Garantin europäischer Stabilität mutiert, eine ähnliche Entwicklung ist von Kickl nicht zu erwarten. Er gehört zum selben Lager wie Orbán und die Französin Marine Le Pen, gilt aber anders als der jederzeit für einen Deal bereite Ungar als beinharter Ideologe. Kickl wird ganz rechts verortet – dort, wo die deutsche AfD zu Hause ist.

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