EU-Asylpolitik:Die Show von Wilders und Orbán

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Ungarn mit Ministerpräsident Viktor Orbán wurde wegen seiner Asylpolitik vom Europäischen Gerichtshof schon zu einer hohen Geldstrafe verurteilt. (Foto: Meng Dingbo/dpa)

Die Niederlande und Ungarn wollen beantragen, aus dem Asylsystem der Europäischen Union auszusteigen. Geht das überhaupt?

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Es ist erst einmal nur eine politische Show, wenn die Regierungen von Ungarn und den Niederlanden so tun, als würden sie demnächst aus dem europäischen Asylsystem aussteigen. Die Botschaft richtet sich an das heimische Publikum: Wir pfeifen auf Brüssel, wir tun was gegen die irreguläre Zuwanderung!

Tatsächlich ist Ungarn unter Ministerpräsident Viktor Orbán längst aus dem europäischen Konsens ausgestiegen und macht es Migranten de facto unmöglich, einen Asylantrag zu stellen. Deshalb wurde das Land vom Europäischen Gerichtshof zu einer hohen Geldstrafe verurteilt.

Orbáns Europaminister János Bóka schließt sich nun dem Rechtspopulisten Geert Wilders an, der die aktuelle niederländische Regierung steuert und diese Woche von einem „Mini-Nexit“ sprach: Die Niederlande würden sich, was die Flüchtlingspolitik betrifft, aus der EU verabschieden. Aber das ist, bei Lichte betrachtet, Unsinn.

Die deutschen Debatten werfen in der EU Fragen auf

Bei der EU-Kommission eingegangen ist ein kurzer Brief aus dem niederländischen Ministerium für Asyl und Migration. Darin wird angekündigt, man werde die Möglichkeit eines Opt-outs fordern – also die Möglichkeit, aus dem europäischen Asylsystem auszusteigen. Solange sie dieses Opt-out aber nicht zugestanden bekomme, werden die Niederlande weiter an der Umsetzung der erst im April beschlossenen europäischen Asylrechtsreform mitarbeiten. Für solch ein Opt-out müssten wohl die Europäischen Verträge geändert werden, alle 27 Staaten müssten zustimmen. Das wird nicht passieren.

Der Hintergrund für die Wortmeldungen aus Budapest und Den Haag sind offensichtlich die deutschen Debatten. Sowohl Viktor Orbán als auch Geert Wilders hatten sich zustimmend geäußert zu dem Kurswechsel in der Berliner Flüchtlingspolitik, der in der EU Fragen aufwirft – zumal vor dem Hintergrund eines möglichen Regierungswechsels im Jahr 2025. Will Deutschland Asylbewerber an den Grenzen zurückweisen, für deren Verfahren man andere Staaten zuständig hält? Oder will Deutschland sogar Migranten abwehren, die einen Asylantrag stellen wollen?

Schon die nun eingeleiteten Kontrollen an allen deutschen Grenzen erwecken den Anschein, Deutschland schotte sich ab. Auch wenn sie als Übergangslösung angekündigt sind, bis die neuen EU-Regeln greifen. Die österreichische Regierung hat bereits angekündigt, sie werde notfalls selbst Maßnahmen zur Abschottung ergreifen. Denkt man diesen Mechanismus zu Ende, blieben Staaten mit EU- Außengrenzen allein mit dem Migrationsproblem. Und die EU würde zerfallen.

Der Mitte April verabschiedete „Migrationspakt“ sieht vor, dass Asylbewerber mit wenig Aussicht auf Anerkennung in Lagern an den EU-Außengrenzen festgehalten und von dort wieder abgeschoben werden. Im Gegenzug verpflichten sich die anderen Staaten, den Außengrenzenstaaten Solidarität zu leisten – durch Übernahme von Migranten oder zumindest finanziellen Hilfe. So soll wieder Ordnung in die europäische Asylpolitik kommen.

Vermutlich wird die Migrationspolitik Thema beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs Mitte Oktober sein. Dann könnte es auch darum gehen, den Migrationspakt um weitere Maßnahmen zu ergänzen, die verhindern, dass Migranten nach Europa kommen – durch mehr Zusammenarbeit mit Drittstaaten oder Auslagerung von Asylverfahren. Die deutsche Regierung steht solchen Plänen bislang skeptisch gegenüber.

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