Kritik an Erdoğan:Widerstand gegen EU-Beitrittsgespräche mit Türkei wächst

Türkische und EU-Flagge

Seit 2005 laufen die Verhandlungen - nun könnte es bald vorbei sein.

(Foto: dpa)
  • Bei Gesprächen zwischen den Fraktionen im Europäischen Parlament zeichnete sich eine klare Mehrheit für die Forderung ab, die Verhandlungen auszusetzen.
  • Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn ist dagegen, da man dadurch das türkische Volk vor den Kopf stoße.
  • Außerdem hängen noch weitere laufende Verhandlungen von den Gesprächen ab.

Von Daniel Brössler, Brüssel

In der Europäischen Union wächst angesichts des Vorgehens von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gegen die Opposition der Widerstand gegen eine Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Bei Gesprächen zwischen den Fraktionen im Europäischen Parlament zeichnete sich am Donnerstag eine klare Mehrheit für die Forderung ab, die seit 2005 laufenden Verhandlungen auszusetzen. "Das ist auch richtig so. In Wirklichkeit hat Erdoğan die Beitrittsverhandlungen längst ausgesetzt", sagte der Vize-Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten, Knut Fleckenstein, der Süddeutschen Zeitung. Das zeige sich an der Verhaftungswelle in der Türkei und daran, dass Erdoğan immer wieder von der Wiedereinführung der Todesstrafe spreche. "Wir können über alles reden. Für Mitgliedsverhandlungen muss aber ein Wille da sein, dass man aufeinander zugeht", sagte Fleckenstein. Dieser sei derzeit nicht erkennbar.

Die meisten EU-Staaten zeigen bisher allerdings keine Neigung, die Verhandlungen mit Ankara abzubrechen. Bei einem Treffen am Montag hatten sich etliche EU-Außenminister zwar beunruhigt geäußert, aber klargestellt, dass sie den Dialog fortführen wollten. Daran wird sich nach Einschätzung des luxemburgischen Außenministers Jean Asselborn auch nach der für nächste Woche erwarteten Resolution des Europäischen Parlaments nichts ändern. "Erdoğan provoziert das. Das würde ihm passen, dass wir abbrechen", sagte Asselborn der Süddeutschen Zeitung.

Verhandlungen über Zypern wären gefährdet

Mit einem Stopp der Verhandlungen riskiere die EU, die türkische Bevölkerung vor den Kopf zu stoßen. Auch entspreche dies nicht dem Wunsch der türkischen Opposition. Überdies könne dies auch die Verhandlungen zur Wiedervereinigung Zyperns gefährden, die so weit gediehen seien wie noch nie, betonte Asselborn. Dennoch sei auch den EU-Staaten bewusst, "dass das Elastizitätspotenzial der Kopenhagener Kriterien bald erschöpft" sei. Diese Kriterien formulieren die Bedingungen, die vor einem Beitritt zur EU erfüllt sein müssen. Grundvoraussetzungen sind Demokratie und Rechtsstaatlichkeit.

In der Resolution, über deren genauen Wortlaut noch verhandelt wird, dürfte das EU-Parlament klarstellen, dass es schon jetzt keine Grundlage für Verhandlungen auf Basis der Kopenhagener Kriterien mehr sieht. "Ich glaube, dass wir der Opposition helfen, indem wir mit der Opposition reden", sagte Fleckenstein. Am langfristigen Ziel eines EU-Beitritts der Türkei halte er fest. Angst um den Flüchtlingsdeal dürfe nun aber kein Grund sein, keinen vorläufigen Stopp der Verhandlungen zu verhängen. "Man darf sich nicht erpressen lassen. Wenn es zum Bruch kommt, muss man auch beweisen, dass man sich nicht erpressen lässt", sagte er.

Am Mittwochabend war die Reise einer Delegation des EU-Parlaments nach Ankara abgesagt worden. Zuvor waren aus der Türkei offenbar Vorbehalte gegen die Teilnahme der niederländischen Sozialdemokratin Kati Piri, der Berichterstatterin des Parlaments für die Türkei, geäußert worden.

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