EU-Migrationspakt:Gute Basis für einen Kompromiss

Das Beharren auf Maximalforderungen erzeugte in der Flüchtlingspolitik vor allem eines: Stillstand. Die Kommission geht nun den pragmatischen Weg.

Von Roland Preuss

Es zeichnet sich ein Déjà-vu ab beim Streit um Europas neues Asylsystem. Die einen, gerade im Osten der Union, haben damit zu rechnen, im Krisenfall mehr Verantwortung für Migranten übernehmen zu müssen. Das haben sie immer abgelehnt. Für Flüchtlingsorganisationen dagegen ist der Migrationspakt, den die EU-Kommission jetzt vorgestellt hat, ein zu kleiner Wurf, ein Ausbau der Festung Europa, ungenügend, um humanitären Ansprüchen zu genügen. Dieses Beharren auf Maximalpositionen, all die Appelle, Brandpredigten und selbst ein EuGH-Urteil gegen Polen, Ungarn und Tschechien, weil sie sich 2015 weigerten, Geflüchtete aufzunehmen, haben jahrelang keinen Kompromiss ermöglicht. Wenn es nun eine Lösung gibt, wird es eine pragmatische Lösung sein. Die EU-Kommission will die Asylprüfung an den Grenzen schneller und humaner machen und die Vertreter der Festungsmentalität zu mehr Solidarität verpflichten. Nötig wäre noch mehr Solidarität. Trotzdem ist der Plan eine gute Grundlage für einen Kompromiss - und wäre ein klarer Fortschritt gegenüber dem jetzigen System des unorganisierten Versagens.

Eine zentrale Säule des Plans bilden Vorprüfungen an der EU-Außengrenze, die Neuankömmlinge identifizieren und eine Einschätzung erbringen sollen, ob diese Aussicht auf Asyl haben. Anders als die Hunderttausenden Syrer 2015 kann ein großer Teil der Asylsuchenden, die heute in Europa anlanden, keinen Schutzbedarf geltend machen. Sie versuchen, über das Asylsystem einzuwandern. Dies hat in der Vergangenheit immer wieder zur Überlastung der Grenzstaaten beigetragen. Länder wie Griechenland ließen die Menschen dann entgegen ihrer Pflicht weiterziehen, andere EU-Länder versuchten sie zurückzuschicken, abgelehnte Asylbewerber wanderten in andere Mitgliedstaaten weiter.

Man muss nicht rechtskonservativ ticken, um dieses Chaos schädlich zu finden. Es verursacht großes Leid, indem es Menschen im Nirwana des Dublin-Systems und allzu oft auch in Obdachlosigkeit stranden ließ, weil Staaten darauf verweisen: Wir sind nicht zuständig. Ähnlich verhält es sich mit den Forderungen, alle Neuankömmlinge sofort in andere EU-Staaten zu bringen. So verteilt man auch Menschen, die keine Aussicht auf Asyl haben, über Europa, wo sie nach oft langwierigen Verfahren und ersten Integrationsschritten mit großen Aufwand abgeschoben werden - wenn dies überhaupt gelingt. Solche Tragödien kann eine Vorprüfung an den Außengrenzen verhindern. Die Flüchtlingshölle von Moria hat dieser Idee freilich geschadet. Von einer geordneten Aufnahme und schnellen Asylverfahren konnte dort allerdings auch nicht die Rede sein. Es ist nun an der EU zu belegen, dass die Aufnahme und Prüfung von Asylsuchenden in ihren Grenzstaaten nach humanitären Standards möglich ist.

Gelingt auf diese Weise eine Vorauswahl an Europas Grenzen und funktioniert dann die Rückführung der Menschen ohne Asylrecht, nähme das Druck aus dem System und erleichterte einen Kompromiss. Wie dringlich eine Einigung ist, zeigt der notorische Rechtsbruch jetzt, nicht nur in Moria. Es geht auch um Beamte, die Asylsuchende auf dem Meer abweisen und illegal zurückschleppen. All das hat die Glaubwürdigkeit der EU zersetzt. Dass die EU-Kommission künftig auch die Grenzschützer schärfer überwachen will, ist da eine gute Nachricht.

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