EU:Merkel fordert "echte europäische Armee"

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Die Kanzlerin geht damit auf einen Vorstoß von Frankreichs Präsident Macron ein und deutet auch ihr Einverständnis zu einer Vertiefung der Währungsunion an. Sie bremst aber bei der Digitalsteuer.

Von Karoline Meta Beisel, Straßburg

Angela Merkel am Dienstagabend beim SZ-Wirtschaftsgipfel in Berlin. (Foto: Stephan Rumpf)

Kanzlerin Angela Merkel hat sich für die Idee einer europäischen Armee starkgemacht. "Wir sollten an der Vision arbeiten, eine echte europäische Armee zu schaffen", sagte sie am Dienstag in einer Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg. Solch eine Armee müsse nicht eine Armee "gegen die Nato" sein, sondern könne vielmehr eine gute Ergänzung darstellen, um in der Nato gemeinsame Interessen zu vertreten: "Da sehe ich überhaupt keinen Widerspruch", sagte Merkel unter Buhrufen unter anderem von euroskeptischen Parlamentariern, die sie souverän zurückwies: "Ich lasse mich doch nicht irritieren, ich komme auch aus einem Parlament."

Mit der Forderung, Europa müsse "langfristig außenpolitisch handlungsfähiger" werden, reagierte Merkel auf Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der vergangene Woche gesagt hatte, ohne eine "wahre europäische Armee" könnten sich die Europäer nicht verteidigen. Allerdings sprach Merkel einschränkend nur davon, dass diese Armee "eines Tages" geschaffen werden müsse. Auch bei der Forderung nach einer Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion machte Merkel einen Schritt auf Macron zu: Deutschland trete dafür ein, bis Dezember "sichtbare Erfolge" vorzulegen.

Bei dem zwischen Frankreich und Deutschland ebenfalls umstrittenen Thema der Besteuerung von Digitalkonzernen ließ Merkel hingegen keine allzu schnellen Fortschritte erwarten: Es gehöre zu den "demokratischen Gepflogenheiten, die Vorschläge der Kommission zur Kenntnis zu nehmen", sagte sie, und rief dazu auf, "im internationalen Zusammenhang internationale Lösungen zu finden". Bundesfinanzminister Olaf Scholz strebt bei dem Thema eine Einigung der OECD-Staaten an. Man werde aber auch nicht "bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag" auf eine internationale Lösung warten, sagte Merkel. "Dann müssen wir europäisch handeln."

Um die Digitalisierung voranzutreiben, forderte Merkel mehr gemeinsame europäische Initiativen. Jeder in der EU sei verloren, "der glaubt, er könnte es allein schaffen", sagte Merkel am Dienstagabend auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Die Kanzlerin wies darauf hin, dass Daten die Grundlage neuer Geschäftsmodelle sind. In den USA seien die Daten in privater Hand, in China gehörten sie dem Staat. "Mit keinem der beiden Modelle wird Europa glücklich werden", sagte Merkel. Sie sprach sich dafür aus, bei der Entwicklung neuer Technologien den Menschen im Mittelpunkt zu behalten. Die Bürger spürten, "da tut sich was Gewaltiges". Man müsse Vertrauen schaffen, auch wenn man als Politiker oft keine Antworten auf die drängenden Fragen habe. "Ich bin selbst noch eine Lernende", sagte Merkel. Besorgt äußerte sich die Kanzlerin bei ihrem Auftritt in Berlin über den zunehmenden Populismus in Europa und Deutschland. "Das macht mich sehr unruhig", sagte sie. "Aus meiner Sicht ist jetzt die Stunde da, zu zeigen, ob wir etwas aus der Geschichte gelernt haben oder doch nicht."

© SZ vom 14.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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