EU:Macrons Plan scheint erledigt

General Economy And Acropolis As Greece Hits Back Against International Monetary Fund

Eine Stabilisierungsfunktion für Griechenland und andere südeuropäische Mitgliedstaaten? Nicht mit der „Hanseatischen Liga“.

(Foto: Yorgos Karahalis/Bloomberg)

Bei der Debatte der Euro-Finanzminister sind die Fronten verhärtet - die Chancen auf ein großes Euro-Budget schwinden.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Von all den Vorschlägen, mit denen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Aufbruch in Europa anstoßen wollte, ist nicht viel übrig geblieben. Kurz vor Weihnachten erteilten die Staats- und Regierungschefs den EU-Finanzministern zwar den Auftrag, die Arbeit an einem Budget für die Euro-Zone aufzunehmen - ob es aber tatsächlich dazu kommen wird, ist weiter offen. Die Debatte der Euro-Finanzminister am Montag in Brüssel zeigte erneut, wie umstritten ein solcher Extra-Haushalt ist. Die Fronten sind dermaßen verhärtet, dass nur eines klar zu sein scheint: Macrons Plan eines großen Euro-Budgets hat sich erledigt. Und das liegt vor allem an Deutschland.

Von Anfang an sahen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) Macrons Dringen auf einen Extra-Haushalt für die Währungsunion kritisch. Der Franzose hatte gleich "mehrere Prozentpunkte" der Wirtschaftsleistung gefordert, die jeder Euro-Staat in einen gemeinsamen neuen Topf einzahlen sollte. Doch daraus wird nichts. In dem deutsch-französischen Kompromissvorschlag, der am Montag erstmals in der Euro-Gruppe diskutiert wurde, heißt es ziemlich eindeutig: "Das Instrument soll Teil des EU-Haushalts sein." In diese Gemeinschaftskasse zahlen alle Mitgliedsstaaten etwa ein Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes ein. Da die Beiträge wegen des Brexits ohnehin steigen dürften, haben viele Staaten keine große Lust, noch mehr einzuzahlen als unbedingt nötig.

Das hat auch Macron verstanden. Und so heißt es in dem deutsch-französischen Vorschlag, dass die Größe des neuen Instruments im Zuge der Beratungen über den nächsten EU-Haushaltsrahmen der Jahre 2021 bis 2027 festgelegt werden soll. Nimmt man das Gefeilsche aus den vergangenen Budgetberatungen zum Maßstab, dürften sich die Mitgliedsstaaten nach Einschätzungen von EU-Diplomaten wohl am ehesten auf ein überschaubares Investitionsbudget einigen. Der Vorsitzende der Euro-Finanzminister, Mário Centeno, will bis zum EU-Gipfel im Juni ein Konzept vorlegen. Als Grundlage dafür dient das Kompromisspapier aus Berlin und Paris.

Scholz zeigte sich am Montag zuversichtlich, dass der Vorschlag "sehr viel Zustimmung" erhalten werde.

Doch neben der Größe des Budgets sind noch zwei weitere entscheidende Fragen offen: Woher soll das Geld kommen? Und wofür soll es eingesetzt werden?

Was die Finanzierungsquellen angeht, so werden im deutsch-französischen Vorschlag allen voran Beiträge der EU-Staaten genannt. Möglich wären auch Einnahmen aus einer europäischen Finanztransaktionsteuer - doch diese gibt es bislang nicht. Denkbar sind auch Garantiemittel aus dem EU-Invest-Fonds, dem von 2021 an geplanten Nachfolger des sogenannten Juncker-Fonds.

Am heftigsten wird unter den EU-Staaten noch immer über den Sinn und Zweck eines Euro-Budgets gestritten. Die "Hanseatische Liga", eine von den Niederlanden angeführte Staatengruppe, lehnt eine von vielen Südeuropäern geforderte Stabilisierungsfunktion vehement ab, mit der wirtschaftliche Schocks in den einzelnen Euro-Staaten abgefedert werden könnten. Eine solche Funktion hatte die EU-Kommission vorgeschlagen; und auch Frankreich sprach sich lange Zeit dafür aus. In dem deutsch-französischen Papier ist von diesem Ziel nun keine Rede mehr. Das Wort "Stabilität" kommt zwar vor, aber in einem eher allgemein gehaltenen Kontext: "Es bedarf eines höheren Niveaus bei Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Euro-Zone, um die Stabilität der Euro-Zone als Ganzes zu gewährleisten."

In Brüssel wird bezweifelt, ob das anvisierte Euro-Budget seinen Namen verdient

Konkret bedeutet das: Geld soll es nur gegen Reformen geben. Welche genau gefördert werden sollen, lassen Deutschland und Frankreich offen. Klar ist nur, dass man sich an den Politik-Empfehlungen orientieren will, welche die EU-Kommission jedem Mitgliedsland alljährlich im Rahmen des Europäischen Semesters gibt. Damit verbundene Investitionen sollen gefördert werden. Die Verknüpfung von Fördergeldern mit wirtschaftspolitischen Reformen ist schon lange eine Forderung aus Berlin - und zwar auch für die Mittelverwendung aus dem EU-Gesamthaushalt.

In der Brüsseler Kommission wird deshalb bezweifelt, ob das anvisierte Euro-Budget überhaupt seinen Namen verdient. Denn was, so fragen Beamte und Kommissare hinter vorgehaltener Hand, unterscheidet diesen Extra-Haushalt vom bereits existierenden EU-Budget, abgesehen von der Tatsache, dass er nur Euro-Staaten zugutekommen soll?

Dieses Ausschlusskriterium dürfte ohnehin noch für Ärger sorgen. Denn warum sollten Nicht-Euro-Staaten wie Ungarn und Polen einem solchen Extra-Budget zustimmen? Sie werden wohl einen finanziellen Ausgleich dafür fordern, denn ohne ihre Stimmen droht Macrons Prestigeprojekt das Aus. In der EU gilt nämlich nach wie vor: Der Haushalt muss von allen Mitgliedsstaaten einstimmig beschlossen werden.

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