EU:Kritik am ungarischen Notstandsgesetz

Brüsseler Abgeordnete fordern den Ausschluss der Fidesz-Partei aus der EVP.

FILE PHOTO: Hungary's PM Orban takes part in an annual business conference

Vollmacht in Person: Premierminister Viktor Orbán.

(Foto: Bernadett Szabo/Reuters)

Die Kritik an dem vom ungarischen Parlament beschlossenen Notstandsgesetz, durch das Premierminister Viktor Orbán auf unbefristete Zeit mit Dekreten regieren kann, lässt nicht nach. Während eine Sprecherin des Auswärtigen Amts von einem "Anlass zur Sorge" sprach, sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn der Welt: "Wir dürfen uns nicht damit abfinden, dass in der EU eine diktatorische Regierung existiert."

Seit März 2019 ist die Mitgliedschaft der Regierungspartei Fidesz in der Europäischen Volkspartei (EVP), der auch CDU und CSU angehören, suspendiert. Aus Protest gegen "den demokratischen Niedergang in Budapest" beantragte die dänische EU-Abgeordnete Pernille Weiss den Ausschluss von Fidesz. Unterstützt wird dies von Christdemokraten aus Polen, Skandinavien, Irland und den Benelux-Staaten. EVP-Präsident Donald Tusk nannte es in einem Brief an die Mitglieder der Parteifamilie "politisch gefährlich und moralisch unakzeptabel", einen permanenten Ausnahmezustand auszurufen. Die Debatte über Fidesz' Zukunft möchte er aber erst nach Ende der Pandemie führen. Den Rauswurf von Fidesz aus der EVP hält Ska Keller, Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament, für überfällig. Sie ruft Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Handeln auf: "Sie muss sich klar gegen diesen Machtmissbrauch unter dem Deckmantel der Corona-Krise positionieren."

Alle Kritik aus Brüssel lässt Ungarns Führung jedoch routiniert an sich abperlen. Es sei "Mode in Europa, Ungarn zu kritisieren", sagte Justizministerin Judit Varga. Das Notstandsgesetz sei im Einklang mit den EU-Verträgen, so Regierungssprecher Zoltán Kovács. Scheinbar unbeirrt legte Vizeministerpräsident Zsolt Semjén am Dienstagabend noch einen neuen Gesetzentwurf vor, der weitere Sorgen vor einer Beschneidung der Demokratie auslöste. Am Mittwochnachmittag wurde er jedoch zurückgezogen. Es ging dabei um eine mögliche Entmachtung von Bürgermeistern. Seit der Kommunalwahl im Herbst regiert etwa in Budapest der grüne Oberbürgermeister Gergely Karácsony. Der Entwurf hatte vorgesehen, dass Entscheidungen eines Bürgermeisters in der Coronakrise binnen fünf Tagen von einem der 20 Komitats-Krisenräte genehmigt werden müssen. Einspruchsmöglichkeiten sollte es nicht geben.

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