EU-Korruptionsskandal:Metsola geht voran, nur etwas verspätet

Lesezeit: 2 min

Sie hat einen 14-Punkte-Plan vorgelegt mit strengeren Regeln für den Umgang mit Lobbyisten: EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. (Foto: FREDERICK FLORIN/AFP)

Übernachtung in Israel, ein blaues Schaf aus Deutschland: Die EU-Parlamentspräsidentin macht Einladungen und Geschenke publik. Ist das wirklich ein Vorbild?

Von Josef Kelnberger, Brüssel

Eva Kaili sitzt mit zunehmender Bitternis im Frauengefängnis Haren bei Brüssel. Über ihre Anwälte klagt Kaili nun sogar über "Folter". Drei Tage lang sei sie vollständig isoliert worden, in einer kalten Zelle, einen Mantel habe man ihr verweigert. Ihre zweijährige Tochter dürfe sie nur einmal im Monat sehen.

Die vormalige Vizepräsidentin des Europaparlaments wurde am 9. Dezember unter dem Verdacht festgenommen, sie habe sich von Katar bestechen lassen. Sie ist die prominenteste Figur in einem Korruptionsskandal, der den Ruf des ganzen Parlaments erschüttert. Ausgerechnet am Donnerstag nun, an dem die belgische Justiz die Untersuchungshaft der Griechin verlängerte, wurde bekannt: Parlamentspräsidentin Roberta Metsola macht mit Verspätung Geschenke und Reiseeinladungen publik.

Metsola, 44 Jahre alt, seit Januar 2022 im Amt, hat in dem Skandal um Kaili an Statur gewonnen. Sie kooperierte mit den Ermittlern, sie hielt das Parlament zusammen. Zuletzt legte sie einen 14-Punkte-Plan vor, der den Abgeordneten strengere Regeln im Umgang mit Lobbyisten auferlegen soll. Die Liste, die sie nun veröffentlichen ließ, sieht die Frau aus Malta als Beleg für beispielhafte Transparenz. Sie taugt keinesfalls für einen neuen Skandal. Aber sie wirft doch Fragen auf.

Gehörten die Transparenzregeln nicht ein unabhängig überwacht?

Ein goldener Modellturm aus Marokko, ein weißes Kleid aus Bahrain, ein Schal aus Frankreich, ein blaues Miniaturschaf aus Deutschland, eine Vase aus Tschechien: 125 Geschenke insgesamt hat sie gemeldet. Sie hat die Geschenke nicht behalten, sondern bei der Parlamentsverwaltung abgegeben. Sie steht nicht im Verdacht, eine Gegenleistung erbracht zu haben. Allerdings hat sie gegen die Geschäftsordnung verstoßen, die verlangt, Geschenke bis zum Ende des Folgemonats publik zu machen. Selbiges gilt für Reisen. Bei einem offiziellen Trip nach Israel beispielsweise haben die Gastgeber zwei Übernachtungen bezahlt.

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Metsola lässt mitteilen, sie breche mit der Praxis ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger an der Spitze des Parlaments, die Reisen und Geschenke erst am Ende der Amtszeit publik gemacht hätten. Sogar der grüne Abgeordnete Daniel Freund, Experte in Fragen der Korruptionsbekämpfung, hält Metsolas Schritt für vorbildlich. Die Verspätung nennt er einen "Schönheitsfehler". Der Fehler zeigt jedoch, wie wenig ernst das Parlament die eigenen Regeln nimmt.

Roberta Metsolas Beispiel folgend, melden offenbar immer mehr Abgeordnete Reisen und Geschenke nach. Mit einer Strafe haben sie nicht zu rechnen. Laut Geschäftsordnung können Verstöße geahndet werden, mit einer Rüge oder Strafen von bis zu 30 Tagessätzen à 338 Euro. Sie müssen aber nicht geahndet werden. Und Strafen kann nur die Präsidentin aussprechen. Metsola müsste sich also selbst bestrafen.

Der Drahtzieher im Katar-Fall will nun Kronzeuge sein

Das Regelwerk funktioniere so nicht, sagt Daniel Freund. "Die Regeln müssen von einer unabhängigen Stelle überwacht werden, die dann auch Sanktionen ausspricht." Im Übrigen findet er, eine Parlamentspräsidentin solle sich generell nicht einladen lassen, weder vom Staat Israel noch vom Europäischen Fußballverband zum Finale der Champions League - damit gar nicht erst der Eindruck entstehen könne, ihr Wohlverhalten ließe sich erkaufen.

Das Ringen um neue Regeln für den Parlamentsalltag hat wenig zu tun mit der kriminellen Energie, die mutmaßlich hinter dem Korruptionsskandal steckt. Aber es wird noch lange dauern, bis das Parlament wieder zur Ruhe kommt. Antonio Panzeri, der Drahtzieher, stellt sich nun den Ermittlern als Kronzeuge zur Verfügung und will umfassend aussagen. Gut möglich, dass nach Eva Kaili bald noch der eine oder die andere Abgeordnete mehr ins Gefängnis muss.

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